Full text: Schluß des VII. Zeitraums und VIII. Zeitraum: Von Göthe's Tode bis zur Gegenwart (Theil 3)

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14. Abendlied. 
Rückert, Gedichte. Frankfurt, 1847. S. 391. 
1. Ich stand auf Berges Halde, 
Als heim die Sonne ging, 
Und sah, wie über'm Walde 
Des Abends Goldnetz hing. * 
2. Des Himmels Wolken thauten 
Der Erde Frieden zu, 
Bei Abendglockenlauten 
Ging die Natur zur Ruh. 
3. Ich sprach: O Herz, empfinde 
Der Schöpfung Stille nun, 
Und schick' mit jedem Kinde 
Der Flur dich auch, zu ruh'n. 
4. Die Blumen alle schließen, 
Die Augen allgemach, 
Und alle Wellen fließen 
Besänftiget im Bach. 
5. Nun hat der müde Sylphe x) 
Sich unter's Blatt gesetzt, 
Und die Libell' am Schilfe 
Entschlummert thaubenetzt. 
6. Es ward dem goldnen Käfer 
Zur Wieg' ein Rosenblatt ; 
Die Heerde mit dem Schäfer 
Sucht ihre Lagerstatt. 
7. Die Lerche sucht aus Lüften 
Ihr feuchtes Nest im Klee, 
Und in des Waldes Schlüften 
Ihr Lager Hirsch und Reh. 
8. Wer sein ein Hüttchen nennet, 
Ruhr nun darin sich aus; 
Und wen die Fremde trennet, 
Den trägt ein Traum nach Haus. 
9. Mich fasset ein Verlangen, 
Daß ich zu dieser Frist 
Hinauf nicht kann gelangen, 
Wo meine Heimath ist. 
1) Fabelhafte Luftgeister.
	        
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