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„Immer hat Lulher's Sache auf Karl'n Eindruck gemacht und immer
hat er sie nach der Convenienz seiner Projekte entschieden. Dem Pabst
zu Ehren kommt Luther in die Acht, und Friedrichen zur Dankbarkeit
wird gestattet, daß er auf einem kleinen Schloß verborgen werden darf?'
So war er den Augen seiner Feinde entzogen. Der begonnenen
Sache schadete sein Verschwinden nichts, denn der feste Muth, mit
welchem er in Worms gesprochen, wirkte allmählich in immer weiteren
Kreisen.
Die Raschheit, mit welcher sich Luther's Lehre verbreitete, war
wunderbar zu nennen. An den Höfen der Fürsten und Bischöfe, in den
Städten, an den Universitäten und Schulen, auf dem Lande, war allent¬
halben eine große Anzahl, welche die neue Richtung als ein lang Be¬
kanntes und Ersehntes, als ein Selbstverständliches aufnahmen. Wenige
Jahre nach Luther's erstem Auftreten gab es, namentlich in Sachsen
und Franken, kaum ein Haus oder eine Familie, in welcher nicht ein
oder das andere Glied der neuen Lehre geneigt gewesen wäre. Der
Absatz von Luther's Schriften war ein unglaublich großer. Zur Frank¬
furter Meßzeit wurden in wenig Tagen Hunderte von Exemplaren seiner
neuen Schriften verkauft. Es erhob sich eine ganze Fluth von satyri-
schen Streitschriften und Flugblättern zu seinen Gunsten, Ulrich von
Hutten's scharfe Feder voran.
Doch auch die Gegenpartei nahm ihre Kraft in heftiger Erbitterung
zusammen. Die päbstlichen Abgesandten bereisten die deutschen Länder,
mit den Waffen kirchlicher Strafen, Bannbulle und Wormser Edikt, ge¬
rüstet! Zu den thätigsten gehörte Luther's alter Feind, Johannes Eck
und Aleander. Die Bewegung war so leidenschaftlich und heftig, daß
selbst die Ruhigsten und Friedlichsten Partei nehmen mußten. *) ;J
In solcher Zeit war der Aufenthalt auf der Wartburg eine harte
Aufgabe für Luther. Der an unausgesetzte Thätigkeit und an den Um¬
gang seiner Freunde gewöhnte Mann konnte die Einsamkeit nicht ertra¬
gen. In der Umgegend durfte er nicht streifen und auf der Jagd war
sein Herz bei den wenigen Hasen und Feldhühnern, die die blutdürstigen
Menschen und Hunde in's Netz trieben. Die bösen Zeiten des Klosters
schienen zurück zu kehren und der leidige Erzfeind, mit dem Luther so
viel gequält war, spukte in allen Ecken, vor dem Fenster, an der Wand,
im Haselnußvorrath, des Nachts am Bette. Luther schalt ihn fort, mit
Namen, die nicht süß klangen, oder er betete, bis der Teufel vor den
heiligen Namen die Flucht ergriff. Später sagte Luther auch wohl:
„wie er erfahren habe, daß der Teufel die Musik nicht leiden könne und
daß bei ihrem Klange Sorge und Bekümmerniß aus dem Herzen ent¬
flohen wären, wie bei Gottes Wort."
*) In Nürnberg ließen sich Pirkheimer, Spengler und Aldermann zum Widerruf
zwingen.