wt
— 86 —
gülden," sagte er später, „möcht' ich dafür nehmen, daß ich Rom nicht sollte
gesehen haben." Aber er dachte noch in keiner Weise daran, sich gegen den
Papst, den er als das Oberhaupt der Christen hoch verehrte, aufzulehnen.
Nach Wittenberg zurückgekehrt, erwarb er die Würde eines Doktors d er
heiligen Schrift und fetzte noch jahrelang feine Lehr- und Prediger-
Wirksamkeit ungestört fort. Da that sich für ihn unerwartet eine größere
Wirksamkeit auf. Der Mönch von Wittenberg wurde zum Reformator
der Kirche.
§ 56. (116.)
Ansang der Reformation, — Gründung der lutherischen Kirche.
1517 1. Di? ThLseu ^517. Das Werk der Reformation hat damit be-
gönnen, daß Luther inJ5 Thesen (Sätzen), die er am Vorabend des Aller-
Heiligentages, 31. Okto b er, 1517 an die Thüre der Schloßkirche zu Witten-
berg schlug, zunächst den Ab l ctfibcuidjal-auariff. welchen der Dominikaner¬
mönch T etz e l in der Nähe von Wittenberg trieb. Diesen Ablaß hatte Papst
Leo X. ausgeschrieben, um mit dem Ertrage den Ausbau der Peterskirche in
jRo3L§u bestreiten. Die Thesen „liefen schier in vierzehn Tagen durch ganz
Deutschland und kamen auch bald gen Rom". Nachdem der Papst zuerst
Luther vergeblich zur Verantwortung nach Rom gefordert hatte, ließ er ihn
durch den Kardinal Cajetan in Augsburg verhören. Allein weder dieser
konnte ihn zum Widerrufe bewegen, noch der später gefandtepäpstlicheKämmer-
ling Miltitz, der sich zu Altenbura mit Luther unterredet^ Doch ver¬
sprach Luther, um des Friedens willen über den Ablaß Schweigen zu beob-
achten, wenn auch seine Gegner schwiegen.
2. Lossagung vom Papste. Aber bald darauf bewog ihn das Auf-
treten eines neuen Widersachers, des Professors Dr. Eck aus Ingolstadt, sich
an einer Disp utati on zu LeipzigZu beteiligen, in welcher er den gött-
Wichen Ursprung des Papsttums bestritt. Die gegen ihn auf Ecks Betreiben
erlassene B a n n b u lle^verbrannte er^1520 (10. Dezember) öffentlich zu
■——Wittenberg, und sagte sich durch diesen unerhörten Schritt vom Papste sörm-
lich los. Auch unterließ er nicht, den von ihm gegen die Lehre und Satzungen
der Kirche erhobenen Widerspruch durch Schriften, z. B. „An den christlichen
Adel deutscher Nation" im Volke zu verbreiten. Er gewann viele Anhänger:
der Nürnberger Meister H an sjg_achj, sang von der „Wittenbergisch Nachti¬
gall"; unter dem Adel schlössen sich die Ritter Ulrich votlto-tiS unb
Franzvon Sikkinaen der Bewegung an; vor allen förderte der gelehrte
Melanchthon Luthers Bestrebungen als treuer Ratgeber und Gehilfe.
3. Philipp Melanchthon war 1497 zu Bretten im heutigen Großherzogtum Baden
als Sohn eines Waffenschmiedes geboren. Seinen väterlichen Namen Sch roarzerd ver-
wandelte er, einer damals unter den Gelehrten üblichen Sitte folgend, in den griechischen
■ -