Full text: Geschichte des Mittelalters (Theil 2)

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Jedoch all' dieses Unglück schlug den Muth und die Hoffnung der 
Gothen nicht darnieder. Die letzten Trümmer derselben sammelten sich 
wieder unter einem neugewählten Könige, Namens Tejas. Noch ein- 
mal sollte das Waffenglück über ihr Schicksal entscheiden; aber es ent- 
schied gegen sie. Am Fuße des Vesuv fochten sie mit einem Muthe und 
einer Ausdauer, die ein besseres Schicksal verdient hätten. Vor allen 
ragte Tejas hervor, der wie ein zweiter Leonidas mit vorgehaltenem 
Speere und Schilde Alles vor sich niederwarf, bis er selbst nach langem 
Kampfe, von einem Speere durchbohrt, entseelt dahinsank. Des Königes 
Tod entflammte die Gothen nur noch mehr. Sie fochten bis tief in die 
Nacht und erneuerten selbst am andern Morgen noch den Kampf. End- 
lich, von der blutigen Arbeit ermüdet, und überzeugt, daß der Himmel 
ihnen Italien nicht beschieden habe, baten sie den Narses um freien Ab^ 
zug, indem sie erklärten, sie würden den Tod der Unterwerfung vorzie- 
hen. Mit wahrer Achtung vor so tapferen Männern ward ihnen der 
Abzug bewilligt. 
So ward denn der blutige Kampf um Italien geendigt, nachdem er 
zwanzig Jahre, von 535 bis 555, gedauert hatte. Italien ward nun 
eine Provinz des griechischen Reiches unter dem Namen „Exarchat" oder 
Statthalterschaft. Narses wurde Statthalter und nahm seinen Sitz zu 
Ravenna. Das ostgothische Reich hatte zwei und sechzig Jahre, von 
493 bis 555, bestanden. 
Nach so vielen Gräuelauftritten bot das sonst so blühende Italien 
einen erschütternden Anblick dar. Mehre Millionen Menschen hatte der 
Krieg hinweggerafft. Hungersnoth und Seuchen wütheten unter denen, 
welche der Krieg verschont hatte. Ganze Städte standen wie verödet, 
Felder lagen unbebaut, die Unsittlichkeit griff auf eine schauderhafte 
Weise um sich. Und doch war noch nicht das Ende des Jammers und 
des Elendes erschienen. 
Dauernder als durch Eroberungen hat Justinian sein Andenken 
durch innere Einrichtungen des Reiches begründet. Unter der Leitung 
und Aussicht seines Ministers und Günstlinges Tribonian wurden 
nicht nur die Verordnungen der früheren Kaiser als Quelle des Rech- 
tes gesammelt (in dem sogenannten codex Justinianeus), sondern auch 
eine kunstreich geordnete Sammlung von Erklärungen und Aussprüchen 
berühmter Rechtsgelehrten (digesta, pandectae) angelegt und aus die- 
ser ein Auszug als wissenschaftliches Lehrbuch des Rechtes (institutio-
	        
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