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wert gehalten haben, sollen nicht mehr die Dienste einer Magd verrichten."
Als sie mit leeren Händen in die Königsburg zurückkam, wurde sie von Ger-
linde nicht nur mit harten Mortem angefahren, sondern sie sollte mit dornigen
Ruten blutig geschlagen werben. Da ersann Gudruu eine List; sie tliat, als ob
sie nunmehr iu Hartmuts Werbung willige. Sogleich verschwand Gerlindens
Zorn ; sie ließ ihre schöne Kleider reichen und erlaubte den anderen gefangenen
Jungfrauen, um ihre Herrin zu sein.
5. Kampf Noch in der Nacht hatten die Hegelingen still und
unbemerkt die N^rmannenburg eingeschlossen, und beim Morgengranen ertönte
des Wächters Ruf: „Auf zu den Waffen! Deine Burg, Herr Ludwig, ist um-
mauert von einem ungeheuren Heere." Bald tobte rings um die Burg der
blutigste Kampf. Ortwein wurde von Hartmut verwundet, dafür erschlug Her-
wig den Normannenkönig Ludwig. Als Gerlind sah, daß die Ihrigen zn unter¬
liege« drohten, bot sie einem ihrer Diener reiche Belohnung, wenn er Gudrun,
die von der Zinne herab dem Kampfe zuschaute, ums Leben bringe. Hartmut
aber bewies seinen Edelmut, indem er Gudrun beschützte; dafür wurde auch
Hartmut, der kurz darauf in Lebensgefahr geriet, anf Gudruns Fürsprache
verschont und nur gefangen genommen, Gerlind aber, welche die Flncht ergriff
und sich vergeblich hinter die Jungfrauen versteckt, wurde getötet. So waren
die Normannen besiegt, und fünfhundert ihrer Edeln, mit Hartmut und Ortrun,
wurden von den siegreich zurückkehrenden Hegelingen als Geiseln weggeführt.
6. Versöhnung und Friede. Als man in der Heimat anlangte, schloß
Hilde die so lange und so schmerzlich vermißte Tochter unter Freudethränen
in die Arme und feierte mit allen Helden ein fünftägiges Freudenfest. Auf
Gudruns Bitten wurden die Gefangenen ihrer Ketten entledigt, und Hartmut
gewann sich bald aller Gunst, so daß schließlich eiue volle Aussöhnung zwischen
den Normannen und den Hegelingen erfolgte. Ja, Gudrun wußte es dahin zu
bringen, daß sich Ortwein mit Ortrun und Hartmut mit Hildburg verlobten.
So war aller Haß gesühnt, und die einst Feinde waren, vergaßen nun die
vorangegangenen Leiden und lebten fortan in ungetrübtem Frieden.
B. Erzählungen ans dem Mittelalter.
I. Bilder aus der germanischen H e 1 d e n} t i t
(?—500 n. Chr.)
§ 5. Land und Leute des alten Germaniens.
1. Urgeschichte. Wie bei allen Völkern, so liegt auch die Urgeschichte der
Deutschen im Dunkel. Wahrscheinlich waren sie nicht die ersten Bewohner des