74
Alte Geschichte. 1. Periode. Griechen.
geweihter Tempel: hier, so sprach das Orakel, sollte er Ruhe finden.
Aber so schien es anfangs nicht, ja er schien nur einem noch Herbern
Geschick anheim zu fallen. Denn es lebte hier ein grausamer König,
Thoas, der jedes ankommende Schiff festhielt und den Vornehmsten
der Ankommenden der Göttin opfern ließ. Kaum waren also Orestes
und Pylades gelandet, als sie sich vor den König geführt sahen,
der Beide der Priesterin übergab, um einen von ihnen der Göttin
zu opfern. Aber welchen von Beiden? Die Wahl war schwierig
und wurde noch schwerer dadurch, daß Jeder für den Andern zu
sterben dringend verlangte. Glücklicherweise war die Oberpriesterin
keine andere als — Jphigenia, Agamemnons Tochter, also des
Orestes Schwester. Sie entdeckten sich einander zufällig, und nun
war natürlich an kein Opfer zu denken. Der König selbst wurde
von dem Ereigniß gerührt und erlaubte ihnen, abzureisen; fröhlich
schifften sich Jphigenia, Orestes und Pylades ein und nahmen die
Bildsäule der Göttin mit. Unterwegs versöhnte Orestes die zürnen¬
den Götter; die Furien verließen ihn, und Ruhe kehrte in sein
Gemüth zurück. Er heirathete des Menelaos Tochter, wurde da¬
durch nach dessen Tode König von Sparta und eroberte auch das
väterliche Reich Mpcene wieder. Endlich starb er, 90 Jahre alt.
16. Sparta. Lycurg. 888.
Das wichtigste Ereigniß in den nächsten Jahrhunderten nach
dem trojanischen Kriege, war die dorische Wanderung. Dorische
Stämme, aus ihren bisherigen Wohnsitzen in Thessalien verdrängt,
brachen südwärts auf, um neue zu suchen. Sie eroberten den
Peloponnes und gründeten hier die dorischen Staaten Elis, Messe¬
nien, Sparta und Argos; nur in Arkadien, dem Gebirgslande in
der Mitte der Halbinsel, blieben die Einwohner unbesiegt. Man
nennt diese Wanderung auch die Rückkehr der Heraklideu, weil die
Anführer der Dorier Nachkommen des Herakles waren. Am Ende
dieser Zeit finden wir die griechischen Staaten auch insofern um¬
gestaltet, daß fast überall an Stelle des Königthums republikanische
Einrichtungen getreten sind.
Unter den vielen kleinen Staaten Griechenlands hoben sich
nach und nach zwei besonders empor: Athen und Sparta, und
mit ihnen haben wir es vornehmlich zu thun, wenn wir von den
Griechen reden. Sparta lag, wie schon gesagt, im Peloponnes,
und zwar im südlichen Theile, und so unbedeutend auch, mit unsern