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Neueste Geschichte. 3. Periode. Deutschland.
Waffenstillstandes von Malmöe veranlaßt, in welchem die er¬
reichten Vortheile nicht nach dem Wunsche des deutschen Volks be¬
nutzt wurden.
Wie in Preußen waren auch in den anderen Einzelstaaten
Deutschlands die alten Regierungen durchweg liberalen Ministerien
gewichen; Preßfreiheit, demokratische Wahlgesetze, Bürgerwehr mit
freier Wahl der Führer, Vereidigung des Heeres auf die Ver¬
fassung, Vereinsrecht u. s. w. waren überall zur Geltung gekommen.
Der gleiche Drang der Volksbewegung wendete sich dem großen
deutschen Vaterlande zu. Das seit der Befreiung Deutschlands
von dem Joche Napoleons auferstandene und nicht mehr zu unter¬
drückende deutsche Nationalgefühl trat jetzt mit Macht hervor, und
überall sprach sich das Verlangen nach einer starken Vereinigung
der deutschen Stämme aus. Auch leidenschaftliche Stimmen er¬
tönten, welche die Beseitigung der erblichen Monarchie und repu¬
blikanische Staatsformen begehrten. Es wurde von Vertrauens¬
männern des Volkes und von Ständemitgliedern ein Vorparla¬
ment in Frankfurt gehalten, welches den Grundsatz der Volks-
souveränetät aufstellte und die Zusammenberufung einer
deutschen Nationalversammlung durch unbeschränkte Urwahlen be¬
schloß, welche den Bundestag beseitigen und eine neue Reichsver¬
fassung geben sollte; bis dahin ward zur Vertretung der Nation
beim Bundestage ein Ausschuß von fünfzig Volksmännern
(in Frankfurt) errichtet. Aber mit den hiernach eröffneten Aus¬
sichten ließen sich die Häupter der radicalen Partei, besonders
Hecker und Strnve in Baden, nicht genügen;- sie wollten eine
gewaltsame Revolution und durch sie die Republik herbeiführen und
riefen im badischen Oberlande das aufgeregte Volk zu revolutio¬
nären Freischaarenzügen auf. Die Bundesarmee war genöthigt,
diese Schilderhebung mit Nachdruck zu bekämpfen, wobei der Ge¬
neral Friedrich von Gagern im Gefecht von Kandern das
Leben verlor.
Die deutsche Nationalversammlung in Frankfurt
wurde am 18. Mai eröffnet; dieselbe zählte eine Menge der aus¬
gezeichnetsten Männer Deutschlands zu ihren Mitgliedern, und in
den ersten Zeiten gelang es dem gemäßigteren Theile derselben,
welcher an dem ernsten Heinrich von Gagern einen Führer
voll Kraft und Autorität hatte, der Wiederherstellung einer sicheren
Ordnung der Dinge in Deutschland wichtige Dienste zu leisten. Zu
demselben Zweck und im Gegensatz zu den republikanischen Bestre-