Full text: Geschichte des brandenburgisch-preußischen Staates und der Neuzeit seit dem Westfälischen Frieden (Teil 3)

müdes Auge auf feilten Geliebten ruhen, jedem einen Blick voll Liebe 
und tiefster Wehmut schenkend; dcum fiel er in einen Halbschluminer. 
Nach wenigen Augenblicken war der zweite Kaiser des neu errichteten 
Deutschen Reiches, der Liebling des gesamten deutscheu Volkes, in ein 
befferes Jenseits hinübergegangen. Nur 99 Tage hat Kaiser Friedrich III. 
regiert, nur eine Spanne Zeit, aber trotzdem wird fein Andenken bei 
feinen dankbaren Untertanen fortleben bis in die fernsten Zeiten. Seine 
letzte Ruhestätte fand der Friedenskaiser in einer herrlichen Grabkapelle 
neben der Friedenskirche in Potsdam an der Seite seiner schon früher 
Heimgegangenen Söhne Sigismund und Waldemar.]) 
„Der Tugenden, die ihn schmückten, der Siege, die er auf den 
Schlachtfeldern errungen hat, wird dankbar gedacht werden, solange 
deutsche Herzen schlagen, und unvergänglicher Rnhm wird feine ritterliche 
Gestalt in der Geschichte des Vaterlandes verklären"; mit diesen Worten 
ehrte der Sohn bei seiner Thronbesteigung den der gesamten deutschen 
Nation so früh eittriffenen, geliebten Kaiser. 
Die Kaiserin Friedrich. 
1. Die Jugendzeit. Die Kaiserin Friedrich, eine Tochter der 
Königin von England, wurde am 21. November 1840 geboren. 
Sie erhielt eine sorgfältige Erziehung und fchon frühzeitig einen vor¬ 
züglichen Unterricht; bereits als Kind konnte sie drei Sprachen geläufig 
sprechen, und da sie für Malerei und Musik viel Talent zeigte, wurde 
sie auch hierin ausgebildet. Manches kunstvolle Bild ist aus ihrer Hand 
hervorgegangen. Daneben arbeitete sie auch fleißig im Blumen- und 
Gemüsegarten und übte sich in den weiblichen Handarbeiten. Ihr Vater, 
Prinz Albert von Sachsen-Kobnrg, machte sie später selber 
mit den Sitten und Gebräuchen der Deutschen, namentlich auch mit der 
Geschichte Preußens, eingehend bekannt. 
2. Die Hausfrau. Im 18. Lebensjahre vermählte sich die 
Prinzessin Viktoria mit dem Prinzen Friedrich Wilhelm von Preußen. 
Die Hochzeit wurde in London mit aller Pracht gefeiert; dann reiste 
das hohe Paar nach Berlin, wo ihm von den Bewohnern der Hauptstadt 
ein glänzender Empfang bereitet wurde. Der Prinz und feine Gemahlin 
bezogen dasselbe Schloß, in dem einst König Friedrich Wilhelm III. 
und die Königin Luise gewohnt hatten. Zn ihrem eigenen Lieblings- 
ausenthalte wühlte sie die Güter Bornstedt und Eiche (bei Potsdam >. 
') Erg. Nr. 42 und „Unser Fritz" von E. Wildenbruch, ferner „Wilhelm I. 
und Friedrich III." von Freundgen, Wacker, Lesebuch III, Nr. 199. 
Brockmann. Lehrbuch der Geschichte. III. ig
	        
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