Full text: Erzählungen aus der neuen Geschichte (Theil 2)

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mitten unter meinen treuen Untertanen die Freiheit und 
die Ruhe, die der geringste von euch genießt; ich kann nicht 
länger in Paris bleiben, ohne dort mit den Meinigen ums 
Leben zu kommen." Allein seine Worte machten keinen Ein¬ 
druck, und er ward als Gefangener nach Paris zurückgebracht, 
umgeben von wütenden Pöbelhaufen, die sich kaum abhalten 
ließen, ihre blutgierigen Hände an die königlichen Personen 
zu legen. Des Königs Lage ward jetzt nur noch viel schlim¬ 
mer, als vorher. 
Im September 1791 war die neue Konstitution oder' 
Verfassung fertig, in der man den König noch hatte stehen 
lassen, aber als eine ganz unbedeutende Person ohne alle 
Rechte. Als nun diese konstituierende Versammlung sich auf¬ 
gelöst hatte, trat eine neue an ihre Stelle, die sich die g e- 
setzgebende (legislative) nannte. In dieser Versammlung 
traten die Parteien der Gironde und des Berges immer 
schroffer auseinander; die erftere hat ihren Namen von dem 
Departement der Gironde, woher die meisten ihrer Mitglieder 
stammten, und umfaßte die ausgezeichnetsten Talente Frank¬ 
reichs; zu der Bergpartei gehörten die Schreckensmänner 
Robespierre, Marat, Danton, Pethion, die mit dem 
Pöbel von Paris im Bunde standen und ihn zu ihren wüh¬ 
lerischen Bestrebungen gebrauchten. Diese Ungeheuer begingen 
die gräßlichsten Unordnungen und veranlaßtert eine Pöbel- 
herrfchaft, die allen wohlgesinnten Bürgern Verderben drohte. 
Aller äußere Anstand war verpönt, man mußte zerlumpt 
einhergehen, um als echter Patriot und Freiheitsmann zu 
gelten und die Bezeichnung „Ohnehosen" (Sansculotten) war 
ein Ehrenname. 
Die gesetzgebende Versammlung faßte den Beschluß, es 
sollten alle Ausgewanderten, die nicht zurückkehrten, des Todes 
schuldig und ihrer Güter verlustig fein; eben fo sollten alle 
Geistlichen, welche die neue Verfassung nicht beschworen wollten, 
als Verräter der Nation gerichtet werden. Der König wei¬ 
gerte sich, diesen Beschluß zu bestätigen, nach dem er seine 
eigenen Brüder hätte ächten müssen. Um ihn zur Einwilli¬ 
gung zu zwingen, erregten die Jakobiner einen Aufstand. Im 
Juni 1792 drang ein Pöbelhaufen von 40 000 Menschen in 
das königliche Schloß, verübte den ärgsten Unfug und über¬ 
häufte den König und feine Gemahlin in ihren eigenen Ge¬ 
Stacke, Neue Geschichte. 10. Aufl. 25
	        
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