§ 74. Kaiser Friedrich III. 179
Als im Herbst 1857 Friedrich Wilhelm IV. von schwerer Krank¬
heit heimgesucht wurde, übernahm sein Bruder Wilhelm die Stell-
Vertretung. Da sich die Krankheit aber bald als unheilbar erwies,
führte er als Regent selbständig die Regierung. Am 2. Januar 1861
wurde dann Friedrich Wilhelm IV. von seinem schweren Leiden durch
den Tod erlöst. Ihm folgte sein Bruder Wilhelm I. (1861 bis 1888;
vergl. S. 8 ff.). Derselbe berief zur Leitung des Ministeriums Otto
von Bismarck-Schönhausen, der als Vertreter Preußens beim Bundes-
tage, sowie als Gesandter in Petersburg und Paris bedeutende diplo-
matische Erfolge errungen hatte. Bismarck war nicht geneigt, dem
Abgeordnetenhause gegenüber, als dieses die Mittel zur Verstärkung des
Heeres versagte, nachzugeben; er trat fest für die Rechte der Krone und
für die Militärreform ein. Nach glorreichen Kämpfen gegen Österreich
und Frankreich wurde das Deutsche Reich begründet und durch eine weise
Politik nach innen und außen gefestigt.
§ 74. Kaiser Friedrich III. Als nach einem thatenreichen und
ruhmvollen Leben Kaiser Wilhelm I. die Augen schloß, weilte fein
Sohn Kronprinz Friedrich Wilhelm (S. 6 ff.) im milden Süden, um
Linderung für eine unheilbare Krankheit zu suchen. Sobald ihn aber der
Tod des geliebten Vaters auf den Thron rief, nahm er keine Rücksicht auf
das eigene Wohl, sondern eilte mitten in den Winterstürmen nach dem
kalten Norden. Als Herrscher nannte er sich Friedrich. Trotzdem er
den Tod in sich trug, war er doch beseelt von dem Gedanken, für das
Beste feines Volkes zu wirken. Aber nur 99 Tage waren ihm zur
Regierung beschieden. Die tückische Krankheit, welche ihn ergriffen hatte,
hinderte ihn, in der kurzen Zeit feine großen Absichten zu verwirklichen.
Im Volke hatte er sich schon als Kronprinz große Liebe erworben.
Seine männliche Schönheit, frische Lebendigkeit, seine Leutseligkeit und
seine Kriegsthaten waren in aller Munde. In den letzten schweren
Tagen bewunderte man allgemein seine Seelenstärke.
Als er am 15. Juni 1888 zu Potsdam von seinem qualvollen
Leiden erlöst wurde, trauerte das gesamte deutsche Volk um den edlen
Herrscher. Ihm folgte sein Sohn Kaiser Wilhelm II., der am
25. Juni 1888 im Beisein der meisten deutschen Fürsten den deutschen
Reichstag eröffnete. Er erwarb 1890 die Insel Helgoland auf fried-
lichem Wege.