2. Thors Fahrt nach seinem Hammer.
1. Einst hatte Thor einen schweren Traum; es
war ihm, als höre er geheime Zaubersprüche murmeln
und als sehe er eine Riesenfaust, die nach seinem Ham¬
mer griffe. Plötzlich weckte ihn ein dumpfer Donner;
er griff nach seinem Hammer und fand ihn nicht. Zornig
sprang er empor und tastete umher, aber das Werk¬
zeug seiner Göttermacht war verschwunden. Wild
schüttelte er das Haupt, und seine Augen sprühten
Feuer. Laut dröhnend rief er alsdann durch die Götter¬
burg: „Verschwunden ist mein Hammer, geraubt ist
meine Zauberkraft.“ Das vernahm Loki, und er sprach
zu dem zürnenden Gotte: „Wer es auch sei, der den
Hammer entwendete, ich erkunde den Räuber, wenn
mir Freya ihr Falkenkleid leihet.“ Willig reichte die
holdselige Göttin das erbetene Gewand hin. Und Loki
flog davon mit rauschenden Schwingen, bis er die Riesen“
bürg erreichte. Da safs auf einen Hügel Thrym, der
Riesenfürst; er schmückte mit goldenen Bändern seine
windschnellen Hunde und strählte seinen stürmischen
Rossen die Mähnen. Lachend rief er dem Loki ent¬
gegen: „Kommst du, zu fragen um Thors Hammer?
Ich halte ihn wohl verwahrt im tiefsten Schachte der
Erde, und keiner soll ihn da nehmen, er bringe mir
denn Freya als Braut in den Saal.“ Unfroh über solche
Botschaft flog Loki zurück zu der Götterburg und ver¬
kündete das Verlangen des Riesen. Aber zornig wei¬
gerte sich Freya, des Unholds Gemahlin zu werden.
„Ei,“ rief da der Götter einer, „setzet List gegen List.
Thor selber gürte sich mit dem bräutlichen Linnen,
funkelndes Geschmeide schmücke seine Brust, ein weib-