Lebensbilder aus der vaterländischen Geschichte 
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Berlin zurückgekehrt mar, den Ordert bes Eisernen Kreuzes und knüpfte 
so die alte Zeit, da er als Jüngling wider den Erbfeind zog, an die neue, 
die das Werk seines Lebens krönen sollte. Moltke hatte dem König er¬ 
klärt: „Dieser Krieg ist der Gedanke meines Lebens. Es wird herrlich 
gehen mit Süddeutschland, es wird gut gehen ohne Süddeutschland, es 
wird gehen, wenn es sein muß, selbst gegen Süddeutschland." Keinen 
Augenblick aber zögerten die süddeutschen Fürsten, auf den unerhörten 
Angriff Frankreichs ihr Zusammengehen mit Preußen zu erklären. 
Schon die ersten Kämpfe zeigten die Überlegenheit der deutschen Waffen. 3uj^,eiu 
Sieg auf Sieg wurde erfochten: bei Weißenburg und Wörth und an den 
Spicherer höhen. Der französische Marschall Mac IHahon wich bis dhalons Katfermms 
zurück, Bazaine mußte nach den „Schlachten bei Metz" in der Moselfestung 
Schutz suchen. Bei dem versuch, ihn hier zu entsetzen, wurde Mac Mahon 
bei Seöan von den deutschen Heeren umfaßt und am 1. Sept. 
nach zäher Gegenwehr zur Waffenstreckung gezwungen. Napoleon 
selbst befand sich beim Heere in der kleinen Maasfestung. Hls er 
jedes weitere Blutvergießen zwecklos sei, ließ er die weiße Flagge auf der 
Mauer hissen. Ein General mit einem eigenhändigen Brief und dem Degen 
des Kaisers wurde an König Wilhelm geschickt. Erschüttert las der König auf 
einer Anhöhe südlich der Stadt das Schreiben Napoleons: „Da es mir nicht 
vergönnt war, an der Spitze meiner Truppen zu sterben, bleibt mir nichts 
übrig, als meinen Degen in die Hände Ew. Majestät zu legen." Nach kurzer 
Beratung schrieb König Wilhelm die Antwort nieder : „Indem ich die Um¬ 
stände, unter denen wir uns begegnen, bedauere, nehme ich den Degen Ew. 
Majestät an und bitte Sie, einen' Ihrer Offiziere zu bevollmächtigen, um 
über die Kapitulation der Armee zu verhandeln, welche sich unter Ihren Be¬ 
fehlen so tapfer geschlagen hat." Am Abend erschien General Wimpffenim 
deutschen Hauptquartier, um wegen der Übergabe zu verhandeln; er 
verlangte freien Abzug für die Franzosen, aber Bismarck und Moltfe 
bestanden auf der Kriegsgefangenschaft des gesamten französischen Heeres. 
Erst am Morgen des 2. September verstand sich Wimpffen dazu, diese 
Bedingungen zu unterzeichnen. „Welch eine Wendung durch Gottes 
Führung!" So lauteten die Schlußworte der Drahtnachricht, durch die 
König Wilhelm das Ereignis nach Berlin meldete. 
Bald nach dem Abschluß der Verhandlungen fand die Begegnung der 
beiden Herrscher statt, über die König Wilhelm folgendermaßen an die 
Königin schrieb: „Welch ein ergreifender Augenblick der der Begegnung 
mit Napoleon! Er war gebeugt, aber würdig in seiner Haltung und er¬ 
geben. Ich habe ihm Wilhelmshöhe bei Kassel zum Aufenthalt gegeben. 
Der Besuch mährte eine Viertelstunde; wir waren beide sehr bewegt über 
dieses Wiedersehen. Was ich alles empfand, als ich noch vor drei Iahren 
Napoleon auf dem Gipfel seiner Macht gesehen hatte, kann ich nicht be¬ 
schreiben." 
1870 
sah, daß
	        
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