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Selbsterziehung für Beruf und Leben.
nur eine Minute Zeit oder einen Pfennig Geld kostet — indem er einfach
bei offenem Fenster schläft. Ist das auch natürlich nicht dasselbe wie eine
Freiluftkur, so ist es doch sicher gesundheitlich nicht gleichgültig, ob man sich
sieben bis acht Stunden lang jede Nacht in einem schlecht gelüfteten oder in
einem von frischer Luft erfüllten Raume aufhält. Natürlich ist auch hier all—
mähliche Gewöhnung notwendig. Man beginne damit, im Sommer das Fenster
des Schlafraums aufzulassen, und begnüge sich im Winter mit Offenlassen
eines kleineren Spaltes des Fensters oder etwa vorhandener oberer Klappen.
Auch kann ruhig dabei das Zimmer geheizt sein. Aber viele, wenn auch nicht
alle Personen (eines schickt sich eben nicht für alle) empfinden den Schlaf bei
offenem Fenster als besonders erquickend und stärkend.
So kann vorsichtige Abhärtung unter den hier geschilderten Bedingungen
den allermeisten Menschen viel Nutzen bringen, und wir können, indem wir
uns in zweckmäßiger Weise der natürlichen Elemente, des Wassers und der
Luft, bedienen, ein Gegengewicht schaffen zu den schädlichen Einflüssen, die
unser heutiges Kultur- und Erwerbsleben vielfach mit sich bringt.
Dr. A. Laqueur, „Unser Weg“.
111. Don der Seelensammlung durch den Zahnschmerz.
Dz Zahnweh, subjektiv genommen,
ist ohne Zweifel unwillkommen;
doch hat's die gute Eigenschaft,
daß sich dabei die Lebenskraft,
die man nach außen oft verschwendet,
auf einen Punkt nach innen wendet
und hier energisch konzentriert.
Kaum wird der erste Stich verspürt,
kaum fühlt man das bekannte Bohren,
das Rucken, Zucken und Rumoren —
und aus ist's mit der Weltgeschichte,
vergessen sind die Kursberichte,
die Steuern und das Einmaleins,
kurz, jede Form gewohnten Seins,
die sonst real erscheint und wichtig,
wird plötzlich wesenlos und nichtig.
Ja, selbst die alte Liebe rostet —
man weiß nicht, was die Butter kostet —
denn einzig in der engen Höhle
des Backenzahnes weilt die Seele,
und unter Coben und Gesaus
reift der Entschluß: er muß heraus!! —
Wilhelm Busch.
112. Das haar.
Ebensowenig wie Zahntinkturen Zähne erzeugen, können Haartinkturen, und
wenn sie noch so sehr empfohlen sind, neue Haare hervorrufen. Und man sagt
sich, könnte es auch nur einen Kahlköpfigen noch geben, wenn die beinahe
unzähligen Haarwuchs-⸗ und Haarerzeugungsmittel bloß den hundertsten Teil
leisteten von dem, was in Zeitungen von ihnen gerühmt wird? Damit ist
nun nicht gesagt, daß man zur Erhaltung und Verschönerung des Haares gar
nichts beitragen könnte, eine vernünftige Haarpflege kann gewiß viel tun. Eine