Full text: Lehrbuch der deutschen Geschichte für Seminare und höhere Lehranstalten

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f?attc, setzte er ihm auf das Haupt, llnb bie Königin Irmingard be- 
grüßte er als Kaiserin unb schmückte sie mit einer golbenen Krone. — 
Kaiser Lubwig hatte aber eine mächtig hohe Gestalt, große, helle 
Augen, ein offenes Gesicht, eine lange unb gerabe Nafe, Lippen, bie Weber 
zu bick noch zu bünn waren, eine starke Brust, breite Schultern, sehr starke 
Arme, so baß ihm Niemanb im Bogenschießen ober Lanzenwersen gleich 
kam. In ber lateinischen unb griechischen Sprache war er wohl unter- 
richtet; jedoch verstanb er bie griechische besser, als er sie sprach, bie 
lateinische aber war ihm so geläufig wie seine Muttersprache. In allen 
Schriften kannte er ben geistigen unb sittlichen Sinn sowie auch die 
höchste Bedeutung auf's beste. Die Volksgefänge, welche er in der 
Jugend gelernt hatte, verachtete er und wollte sie weder lefen, 
noch hören, noch lehren. — Er war schwer zum Zorn, leicht zum 
Mitleid zu bewegen. So freigebig aber war er, daß er die königlichen 
Dörfer, welche sein Vater, Großvater und Urgroßvater besessen hatte, 
seinen Getreuen (meist Geistlichen) zu ewigem Besitzthum gab und Ur- 
künden darüber ausstellte und durch Aufdrücken feines Ringes fowie 
Unterschrift mit eigner Hand bekräftigte. 
Im Genuß von Speise und Trank war er mäßig und im Anzug 
einfach. Niemals prangte er im goldenen Gewände, außer bei den größten 
festlichen Gelegenheiten, wie es feine Vorfahren zu thun pflegten. An 
solchen Tagen trug er eine goldene Tunika, einen goldenen Gurt und ein 
von Gold glänzendes Schwert, goldene Beinschienen und einen golddurch- 
wirkten Mantel; aus dem Haupte trug er eine goldene Krone und in der 
Hand hielt er einen goldenen Stab. Niemals erhob er seine Stimme 
zum Gelächter, und selbst wenn bei großen Festen zum Vergnügen des 
Volkes Schauspieler, Possenreißer und Mimen mit Sängern und Cither- 
spielern bei Tisch vor ihm erschienen, und das Volk in seiner Gegenwart 
lachte, zeigte er nicht einmal die weißen Zähne beim Lachen. Täglich vor 
der Mahlzeit theilte er den Armen Almosen mit, und wo er sich aufhielt, 
hatte er Hofpitäler um sich. 
Alles that er mit Klugheit und Vorsicht, nichts ohne Untersuchung, 
nur baß er seinen Nöthen vielleicht mehr vertraute als nöthig war: baran 
war aber sein Singen unb fleißiges Beten Schulb unb etwas anberes, 
was aber nicht von ihm herrührte. Denn schon lange bestaub biese ver¬ 
derbliche Gewohnheit, daß aus den niedrigsten Sklaven die höchsten Bischöfe 
wurden: diesem that er keinen Einhalt. Jene aber, nachdem sie die Höhe 
der Herrschaft erreicht haben, mögen sie früher noch fo freundlich und zu¬ 
traulich gewesen sein, fangen alsbald an jähzornig, streitsüchtig, ver-
	        
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