Full text: Lehrbuch der deutschen Geschichte für Seminare und höhere Lehranstalten

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Leo IX. als Begleiter mit nach Rom gegeben. Er hatte als Cardinal-Subdiacon die 
städtischen Angelegenheiten zu leiten und die Geldgeschäfte des Papstes zu besorgen 
und wurde dabei selbst reich, lernte auch durch Leo IX. die universelle Bedeutung der 
römischen Kirche kennen. Unter dem Papste Victor II. behielt er dieselbe Stelle, trat 
auch schon als Gesandter des Papstes in Frankreich streng gegen die Simonie auf. 
Als bald nach Heinrich III. Tode auch Victor II. starb, wurde Stephan X. ohne Vor- 
wissen der kaiserlichen Regierung zum Papste gewählt. Dieser faßte schon den 
Plan, die Kirche völlig von den weltlichen Mächten zu befreien. Ein Freund des 
Papstes, der Cardinal Humbert, schrieb damals eine Schrift gegen die Simonisten, 
welche uns das Streben der Resormpartei erkennen läßt. Er fchildert die Folgen der 
Simonie in den schwärzesten Farben: sie hat die Kirchen verarmt, geistliches Gut ent- 
fremdet, den Klerus von weltlichen Herren abhängig gemacht. Darum muß zur Rettung 
der Kirche die Simonie ausgerottet und dazu müssen die kirchliche und weltliche Gewalt 
getrennt werden. Freilich verhalten sie sich zu einander wie Leib und Seele, so daß 
sie einander bedürfen, aber die priesterliche Gewalt als die Seele ist die herrschende, sie 
leiht die Gedanken, welche mit der weltlichen Macht durchzuführen sind. Vor der Hand 
vermied man aber noch einen offenen Bruch mit dem Kaiserthum, und so wurde 1057 
Hildebrand nach Deutschland gesandt, um die Genehmigung der Kaiserin für Stephan's 
Papstwahl einzuholen. Er erhielt sie, aber Stephan, der energisch gegen die ver- 
heiratheten Priester einschritt und auf strenge Kirchenzucht hielt, starb schon 1058 und 
die römischen Großen, die des Joches der Reformpartei müde waren, hatten eigen- 
mächtig Benedict X. zum Papste gewählt. Hildebrand kehrte gerade aus Deutschland 
zurück und erkannte, daß, wenn nicht die ganze Reform zu Grunde gehen follte, diesem 
Papste ein anderer gegenübergestellt werden und dazu das Recht der Ernennung durch 
den König anerkannt werden müsse, um ihm das nöthige Ansehen zu verleihen. So 
wurde mit Genehmigung des deutschen Hofes der Bischof Gerhard von Florenz, 
Nicolaus III., ein geborner Burgunder, zum Papste ernannt. Er hielt in Sutri eine 
Synode und setzte Benedict ab, und bald fiel auch Rom in seine Hände. Nun aber 
änderte Hildebrand die Politik des römischen Stuhles,.er hatte in Deutschland und 
Italien die Schwäche der Kaiserherrschast genugsam kennen gelernt, so daß er von nun 
an danach strebte, daß das Papstthum, über jede weltliche Macht erhaben, frei seine 
Aufgabe löste; er zog alle dem Kaiserthum feindlichen Mächte Italiens an sich, um sie 
dem Papstthum dienstbar zu machen. Er benutzte dazu das in Italien mächtige Streben 
nach nationaler Unabhängigkeit, die Auflehnung der niederen Volksklassen (der Pataria) 
in den lombardischen Städten, wobei die Unabhängigkeit der Mailänder Kirche verloren 
ging, und die Normannen in Unteritalien. Auf dem Concil zu Rom 1059 wurde 
darum auch schon eine Revision der Ordnung der Papstwahl vorgenommen. Die 
Cardinalbifchöfe sollten sich zunächst mit König Heinrich und dem seiner Nachfolger, 
welchem dies Recht ausdrücklich vom apostolischen Stuhle eingeräumt sei, über die 
Person des zu Wählenden einigen, dann erst sollte die Zustimmung des andern römischen 
Klerus und des römischen Volkes eingeholt werden, auch war sie nicht an einen Kleriker 
der römischen Kirche gebunden und die Wahl dürfe, wenn sie in Rom nicht ungehindert 
stattfinden könne, an jedem anderen Orte von den Cardinalbischöfen, selbst unter nur 
geringer Betheiligung der anderen Wahlberechtigten, vollzogen werden. Damit war 
dem Könige nur persönlich ein Einfluß auf die Papstwahl gestattet, seinen Nachfolgern 
brauchte er nicht zugestanden werden. Fortan war die völlige Selbständigkeit unter 
Hildebrand's Einfluß das Streben des päpstlichen Stuhles. Zugleich setzte das Concil
	        
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