72. Agnppinas Tod.
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^ Da trat mit einem Einfall der Freigelassene Anicetn^ hervor,
Präfekt der Flotte bei Misennm, Neros Erzieher im Kindesalter und
Agrippina verhaßt in wechselseitigem Groll. Er zeigt nämltch, es lasse
sich ein Schiff herstellen, dessen einer Teil, im Meere selbst sich künstlich
austuend, die nichts Ahnende versenken könnte. Nichts lasse so mel
Zufälligkeiten Raum als das Meer, und wenn sie durch Schiffbruch
umgekommen, wer würde fo unbillig sein, das einem Verbrechen zu-
zuschreiben, was Wind und Wogen verschuldet? Dann würde noch
der Fürst einen Tempel und Altäre und was sonst noch seine Kindes-
liebe an den Tag legen könnte, der Verstorbenen weihen.
„Es gefiel die listige Erfindung und ward auch von der Zeit be-
günstigt, weil er damals gerade bei Bajä ein Fest beging. Dorthin
lockt er seine Mutter, indem er wiederholentlich erklärt, man müsse
der Eltern Zürnen ertragen und sie zu besänftigen suchen, um dadurch
das Gerücht von einer Versöhnung zu erzeugen und an Agrippma
kommen zu lassen, da ja das weibliche Herz für das Erfreuliche gar-
leichtgläubig ist. Der Kommenden ging er sodann entgegen, empfing
sie mit Händedruck und Umarmung und führte sie in sein Landhaus,
das zwischen dem Vorgebirge Misenum und dem Bajanersee von einer
Meeresbucht bespült wird. Hier lag unter anderen Schiffen ein be-
sonders stattliches, wie wenn auch dies der Mutter zu Ehren geschehen;
denn sie war gewohnt, auf einem Dreiruderer und mit Ruderern von
der Flotte zu fahren. Für jetzt nun war sie zu einem Mahle ein-
geladen, damit zur Verheimlichung der Schandtat die Nacht angewendet
würde. —
„Eine sternenhelle und aus stillem Meere ruhige Nacht verliehen
gleichsam zur Enthüllung der Schandtat die Götter, und noch nicht weit
war das Schiff gefahren, als auf ein gegebenes Zeichen das mit vielem
Blei beschwerte Dach des Gemaches niederstürzte. Agrippina und ihre
Vertraute Acerrottia wurden durch die Wände des Ruhebettes, welche
hervorstanden und zufällig stärker waren, als daß sie der Last nach-
gegeben hätten, geschützt; auch solgte das Auseinandergehen des Fahr-
zeuges nicht, da alles in Verwirrung geriet und die meisten, von nichts
wissend, auch den Mitwissenden hinderlich waren. Jetzt wollten die
Ruderer einer Seite das Übergewicht geben und so das Schiff ver-
senken. Aber teils stimmten sie selbst nicht rasch genug überein zur
augenblicklichen Tat, teils veranlagen andere, indem sie entgegen-
arbeiteten, einen sanfteren Sturz ins Meer. Aeerronia jedoch wird in
ihrer Unbesonnenheit, da sie schrie, sie sei Agrippina und man möge
der Mutter des Fürsten zu Hilfe kommen, mit Stangen und Rudern
und was von Schiffswaffen der Zufall darbot, getötet. Agrippina,
welche fchwieg und deshalb nicht recht erkannt ward, fing die eine
Wunde, die sie dennoch erhielt, mit der Schulter auf, gelangte schwim-