218 Zweite Abtheilung. Dritter Abschnitt.
Welthauptstadt und wurde noch vor Nero enthauptet. Im zweiten
Jahrhundert verbreitete sich das Christenthum über die Euphratländer
hinaus nach Persien, Baktrien, Parthien und Armenien, selbst nach
Indien. Im 3. Jahrhundert nahm es zu in Arabien und gelangte
in Gallien, von Lyon und Menne aus, wo Gemeinden schon am Ende
des 1. Jahrhunderts blühten, nach dem Norden (Toulouse und Paris),
und schon am Ende des 2. Jahrhunderts nach Britannien, während
es im 2. und 3. Jahrhundert von Alexandrien nach Kyrene und
Aegypten, sowie von Karthago nach Mauretanien und Numidien drang.
Diese schnelle und weite Verbreitung hat ihren Grund ebenso
in der vorhandenen Sehnsucht und Empfänglichkeit vieler Gemüther,
wie in dem Feuereifer seiner Verkündiger, besonders aber in der
innern göttlichen Kraft, mit welcher das Christenthum die menschliche
Natur augenscheinlich segensreich umwandelte, wie besonders an Un-
gebildeten und Unglücklichen, namentlich aber in dem Heldenmuthe
der Märtyrer entgegenleuchtete.
Die Verfolgung der Christen gingen theils von der römischen
Staatsbehörde aus, theils von Einzelnen, die sich in ihren Interessen
verletzt sahen, und von dem fanatisirten Volke und hatten mancher-
lei, aber verwandte Ursachen. Die Christen erschienen als Feinde
und Verächter des Kaisers und des römischen Volkes; denn sie wei-
gerten sich, den Büsten der Kaiser Weihrauch zu opfern, enthielten
sich mit Abscheu von den Volkslustbarkeiten bei öffentlichen Festfeiern,
hielten sich zum Theil fern vom Kriegs- und Staatsdienste und er-
weckten durch ihre geheimen Zusammenkünfte den Verdacht, daß sie
Umsturzpläne gegen den römischen Staat schmiedeten, und zwar um
so mehr, als sie die nahe Wiederkunft Christi und die Aufrichtung
eines Gottesreiches lehrten, das die Welt beherrschen sollte. Sie er-
schienen nicht nur als Verächter der gesetzlichen Staatsreligion, sondern
jeder Religion, als gottlose Atheisten, da ihre Gottesverehrung ohne
allen volksthümlichen Cultus war, und sie wurden verfolgt, während
der römische Staat doch alle Culte gewähren ließ, da diese alle von
den Christen verworfen wurden und das Christenthum mit dem An-
spruch der alleinigen Wahrheit austrat. Das Christenthum forderte
nicht nur den Haß derer heraus, welche der Götzendienst ernährte
und bereicherte, welche in der heidnischen Literatur ihren Schatz und
Ruhm sahen, sondern der gesummten Heidenwelt, der die strenge
freudlose christliche Tugend und die himmlische Richtung derselben als
eine Schwärmerei erschien, durch welche aller irdischen Herrlichkeit, in
der die heidnische Gesinnung aufging, der Untergang drohte. Den
Gebildeten, die zu keinem tieferen Verständniß sür das geistige Wesen
des Christenthums gelangten, erschien die vielfach in gehässigster Weise
verleumdete neue Religion als der finstere Aberglaube eines
bethörten Pöbels. So kam es, daß gerade der „edle" T rajan
zuerst ein bestimmtes Strafgesetz gegen die Christen erließ, nach welchem