194 Erste Abteilung. Zweiter Abschnitt. Geschichte des Mittelalters.
den ihm befreundeten Hause der Frangipani erwiesen hatte. Karl von
Anjou versammelte in Neapel Richter und Rechtsgelehrte, um den
Schein eines rechtlichen Verfahrens zu wahren, und erhob die An-
klage: „Konradin sei ein Frevler gegen die Kirche, ein Empörer und
Hochverräter gegen seinen rechtmäßigen König und gleich allen seinen
Freunden und Mitgefangenen des Todes schuldig." Die Richter er-
schraken über diese Anklage sehr, wagten aber, der wilden Grausamkeit
Karls eingedenk, lange nicht, ihre entgegengesetzte Ansicht unverhohlen
darzulegen. Endlich gab einer von ihnen die mutige Erklärung
ab: „Konradin ist nicht gekommen als ein Räuber und Empörer, sondern
im Glauben an sein gutes Recht. Er frevelte nicht, indem er versuchte,
sein angestammtes väterliches Reich durch offenen Krieg wieder zu ge-
Winnen; er ist auf der Flucht gefangen, und Gefangene schonend zu be-
handeln gebietet göttliches und menschliches Recht." Alle Richter
bis auf den knechtisch gesinnten Robert von Bari sprachen jetzt
Konradin und seine Gefährten frei, aber Karl, nun jeden Schein
von Form und Recht zerstörend, folgte frech jener einzelnen Knechts-
stimme uud sprach aus eigener Macht das Todesurteil. Konradin
vernahm mit seinem Freunde Friedrich beim Schachspiel das Todesurteil
mit Fassung, machte sein Testament und versöhnte sich mit Gott durch
Beichte und Gebet. Dicht vor Neapel, an der Meeresküste, von wo man
die weite Aussicht über den prächtigen Meerbusen mit seinen wunder-
vollen Ufern, bis zu dem schwarzen Haupte des Vesuvs und bis zur
Insel Capri hat, war eiligst und still das Blutgerüst errichtet, wo
der Henker mit bloßen Füßen und aufgestreiften Ärmeln der Opfer
wartete. König Karl weidete seinen Blick an dem Feste seiner Rache
aus dem Fenster einer benachbarten Burg, und der ungerechte Robert
verkündete das Urteil. Dumpfes Gemurmel lief durch die ver-
sammelte Menge, tiefe Rührung erweckte der Anblick der unschuldigen
blühenden Jünglinge, aber die Furcht hielt den Arm der Rettung zurück:
nur des Königs eigener Schwiegersohn ließ seinem gerechten
Zorne freien Lauf und traf mit seinem Schwerte den ungerechten Richter,
indem er ausrief: „Wie darfst du, frecher, ungerechter Schurke, einen
so großen und herrlichen Ritter zum Tode verurteilen?" Karl verbiß
seinen Zorn und blieb ungerührt. Noch einmal sprach Konradin zu
dem Volke uud beteuerte, daß er vor Gott als Sünder den Tod ver-
dient habe, hier aber ungerecht verdammt werde, dann warf er seinen
Handschuh vom Blutgerüste herab, damit derselbe seinem Verwandten,
dem Gemahl von Manfreds Tochter, Kön'ig Peter von Aragonien,
als ein Zeichen gebracht werde, daß er ihm alle Rechte auf Sicilien
und Neapel übertrage. Darauf umarmte er, aller Hoffnung auf Änderung
des Bluturteils beraubt, seine Todesgenossen, hob Arme und Augen gen
Himmel und rief: „Jesus Christus, König der Ehren: Wenn dieser
Kelch nicht an mir vorübergehen soll, so befehle ich meinen Geist in
deine Hände!" Jetzt kniete er nieder, rief aber dann noch einmal, sich
emporrichtend, aus: O Mutter, welches Leiden bereite ich dir! —