2. Kapitel: Die Reformation in Deutschland. 73
liche Vereinigung" der streitenden Religionsparteien verheißen und zu
diesem Zwecke Religionsgespräche katholischer und prote-
stantischer Theologen gehalten zu Hagenau, Regensburg und
Worms. In Regensburg hatten sich die Theologen, Eck und Melanch-
thon an der Spitze, unter Leitung des päpstlichen Legaten Contarini,
bereits über einige streitige Hauptpunkte geeinigt; denn Contarini, ein
Mann von großer Bildung, vollkommen klar über die Reformbedürftig-
keit der alten Kirche, kam in der Rechtfertigungslehre den Evangelischen
sehr nahe. Allein das Einigungswerk scheiterte an dem Satze
von dem göttlichen Rechte und der unantastbaren Oberherrschaft des
Papstes, welcher den Würdenträgern der römischen Kirche hoch über
allen Lehren der Theologie stand, und den sie starr festhielten. Andrer-
seits stimmte Luther den Vereinigungsversuchen nicht zu aus Besorgnis,
die römische Kirche möchte durch scheinbares Nachgeben die Protestanten
nur fangen wollen, um sie nachher wieder unter das Joch ihrer
Satzungen zu beugen. Auch die Gesinnungen eifrig katholischer Fürsten,
in erster Reihe des Herzogs von Baiern, waren den Einigungs¬
bestrebungen nicht günstig, sie verlangten im Gegenteil vom Kaiser ein
entschiedenes Vorgehen gegen die „Ketzer". Doch sah sich K a rl V. durch
seine auswärtigen Kriege zu Zugeständnissen gegen die Prote-
stauten genötigt, welche seinen tiefinnersten streng katholischen An-
sichten, sowie seinen politischen Einheitsbestrebungen im Reiche nicht ent-
sprachen. Auf dem Reichstage zu Speier 1544 gewann er bie Hülfe
der kriegsmächtigen fchmalkaldifchen Stände durch die
Vertröstung auf ein allgemeines freies Konzil, durch stillschweigendes
Zugeständnis der Landeskirchen und Gewährung völliger Rechtsgleichheit
vor dem Kammergerichte. Kaum war aber der Friede zu Crespy ab-
geschlossen, die große spanisch-östreichifche Monarchie aufs neue befestigt,
als er die Bekämpfung des deutschen Protestantismus ins Auge faßte,
um die widerstrebenden mächtigen ketzerischen Fürsten Deutschlands unter
sein monarchisches Scepter zu beugen. In einem geheimen Vertrage
mußte Franzi, dem Kaiser feine Hülfe gegen dieselben prote-
stantifchen Stände Deutschlands zusagen, die eben erst wesent-
lich zu den kriegerischen Erfolgen des letzteren beigetragen hatten.
Gleichzeitig fand auf derselben Grundlage eine Versöhnung des
Kaisers mit dem Papste statt, der bisher, eifersüchtig auf die
kaiserliche Machtstellung, aus seiner freundlichen Gesinnung gegen Frank-
reich kein Hehl gemacht hatte. Schon als der Kaiser noch zu schonen
schien, hatte derselbe Geldern gewaltsam zu feinen Niederlanden gezogen,
den bereits zur Reformation übergetretenen und von seinem Verbündeten
Franz I. im Stich gelassenen Herzog von Kleve unter seine Macht gebeugt,
m Köln die begonnene Reformation gehindert; jetzt blieb ihm noch als
das größte Werk die Demütigung des schmälkaldischen Bundes übrig.
Die Feinde der Reformation hatten bis dahin bereits im einzelnen
gewaltsame Unterdrückung der neuen Lehre vergeblich ver-
sucht: den Zeugentod, meist auf dem Scheiterhausen, starben in Ant-