Die ständischen und sozialen Kämpfe in der römischen Republik 61
Jahrhundert angefüllt mit ständischen und sozialen Kämpfen, die nur selten,
im Kriegslärm, schweigen; denn nach außen hin war Rom stets einig.
Und auf dem Boden der Weltherrschaft wieder bilden sich neue Sorgen
und Probleme heraus; von der Mitte des 2. Jahrhunderts ist die römische
Welt vom sozialen Zwist durchzittert, der von Bürgerkrieg zu Bürgerkrieg,
von Revolution zu Revolution führt, bis er endlich in der Militärdespotie,
dem Prinzipat sein Ende findet.
n. 1. Die ständischen und sozialen Kämpfe zur Zeit der
italischen Kriege?)
a) Die Ursachen des Kampfe?.
Die miteinander kämpfenden Parteien sind die Patrizier und Plebejer.
Um die zwischen ihnen schwebenden Streitfragen würdigen zu können, ist
die Entstehung beider Stände klarzulegen. Als die Italiker in grauer
Vorzeit in die nach ihnen benannte Halbinsel eingewandert waren, als sie
die Urbevölkerung vertrieben und ihre Reste zu wohl gut behandelten,
aber rechtlosen „Gehorchenden" (Klienten) gemacht hatten, ward das ganze
eroberte Land als Staatsland in Besitz genommen, als Staatsland auch
bewirtschaftet. Bald aber machte sich eine Verteilung dieser gemeinsamen
Staatsflur an die Geschlechter notwendig; und schon dadurch trat an die
Stelle der früheren gemeinen Gleichheit eine allmähliche Verschiedenheit.
Je zahlreicher ein Geschlecht an Kopfzahl, je ausgeprägter seine Energie,
je größer seine Einsicht war, desto besser wußte es seinen Ackerteil zu be¬
arbeiten, desto mehr wirtschaftete es heraus. Dieser Unterschied ward um
so größer, je mehr in langsamem Stufengang die Gefchlechterwirtschaft sich
der Privatwirtschaft näherte und endlich ganz in sie überging. Während
der nationale Gegensatz zwischen den nreingesessenen Klienten, die aus
Staatseigentum jetzt auch Familieneigentum geworden und so mit ver¬
trauteren, persönlichen Banden an ihren Patron (Schutzherrn) geknüpft
waren, und ihren Besiegern sich völlig verwischte, bildete sich allmählich
ein schärferer wirtschaftlicher Gegensatz zwischen größeren Besitzern und
Kleinbauern heraus. Durch Zuzug und Eroberungen ward das Stadt¬
gebiet in der Königszeit immer größer; der König allein war nicht mehr
*) Die Wichtigkeit dieser Kämpfe zu beleuchten, sei ein Wort Rankes angeführt
(Weltgeschichte, II S. 79): „Den Patriziern und ihren Magistraten, welche geistliche
und weltliche Gewalt in sich vereinen, tritt eine kriegsbereite Genossenschaft freier
Männer gegenüber, deren jene nicht entbehren können, um auch ihrerseits an der
höchsten Gewalt den ihnen gebührenden Anteil zu erwerben, ohne jedoch diese selbst
stürzen zu wollen. Im Zusammengreifen und im Jneinderwirken beider
Elemente liegt das Geheimnis der Größe von Rom. Und ist das
nicht der vornehmste Gegenstand der politischen Kämpfe aller Zeiten?"