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Die hethitischen Völker.
enträtseln kann. Ihre Schrift war nämlich eine reine Bilderschrift; später
gebrauchte man im täglichen Leben eine einfachere Buchstabenschrift.
Religion und Staatsverfassung. Etwas gründlicher ist unsere Kennt-
nis der hethitischen Religion, da die meisten bildlichen Darstellungen reli-
giöser Natur sind, obwohl auch hier die Unmöglichkeit, den begleitenden
Text zu lesen, das Verständnis erschwert.
Verehrt wurde wie überall im Orient die lebenspendende Sonne unter
verschiedenen Namen, so bei den Osthethitern als Bal. Bei den Westhethitern,
hauptsächlich in Lydien, hieß der Sonnengott Sandon (griech. Herakles); neben
ihm erscheint eine Mondgöttin Omphäle; ihre Zusammenstellung gab Veran-
lassung zu der griechischen Sage von Herakles und Omphale. Eine Hauptgott-
heit war die besonders in Phrygien verehrte „Große Mutter Mä" (auch Kybele
oder Semirämis genannt); sie stellte eine Personifizierung des Naturlebens dar;
ihr dienten vor allem bewaffnete Priesterinnen, die in der griechischen Sage
als Amazonen bekannt sind. Als männliche Auffassung des Naturlebens
galt der Gott Attis (Abortis, Dionysos), dessen Erwachen im Frühling und Ab-
sterben im Herbst man mit leidenschaftlicher Freude bzw. leidenschaftlichem
Schmerze feierte.
Die Staatsform war die D e f p o t i e mit den im Orient gebrauch-
lichen Thronkämpfen, Palastverschwörungen u.dgl. Einzelheiten wissen
~ wir wenig; doch erzählt die lydifche Sage von G y g es, daß er sich mit
T,Hilfe eines unsichtbar machenden Ringes nachts in den Palast des Königs
Kandaules geschlichen, ihn getötet und dann sich selbst auf den Thron ge-
fchwungen habe.
Geschichte. Die osthethitische Geschichte ist wenig bekannt. Von
den Staaten der Westhethiter spielte wie gesagt nur das Lhdische Reich
eine größere Rolle. Dessen vorletzter Herrscher Alyattes geriet in Streit
mit dem Mederkönig Kyaxäres. Die Entscheidungsschlacht) am
585 H a l y s soll infolge einer Sonnenfinsternis (vorhergesagt von Thales
28' at aus Milet) abgebrochen worden sein, worauf beide Fürsten den Halys
als Grenze zwischen ihren Ländern festsetzten. Der Sohn des Alyattes,
um 555 Krösus, unterwarf die griechischen Küstenstädte (mit Ausnahme Milets),
- so daß sich an seinem Hofe hellenisches und orientalisches Wesen ver-
um 545 schmolzen. Mit der Eroberung Lydiens durch E y r u s ging der letzte
Hethiterstaat im persischen Weltreich auf. ^
_JL^Dte indogermanischen Völker.
Allgemeine Übersicht.
a) Die asiatischen Jndogermanen. Aus der mittel- und osteuro-
päifchen Tiefebene wanderten arische Stämme aus und suchten eine neue
1) Das erste Ereignis der alten Geschichte, das auf Jahr und Tag genau bestimmt
werden kann.