Kaiser Wilhelm II.
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Zu dieser Feier waren sämtliche Fürsten der deutschen Staaten und
die Bürgermeister der Freien Reichsstädte erschienen. Auf dem Throne
stehend, umgeben von den Fürsten und Großen des Reiches, verlas der
Kaiser die Eröffnungsrede, in der er erklärte, daß er die Neichsverfassung
wahren, für die arbeitende Bevölkerung sorgen, an dem Bündnisse mit
Österreich-Ungarn und Italien in deutscher Treue festhalten und die seit
hundert Jahren bestehenden freundschaftlichen Beziehungen zu Rußland
weiter pflegen, daß er, soviel an ihm liege, Frieden mit allen aus-
wärtigen Staaten halten wolle.
Eröffnung des preußischen Landtages. Am 27. Juni 1888 (£rbbffe"un0
eröffnete König Wilhelm gleichfalls in feierlicher Weise den Landtag der Landtages.
Preußischen Monarchie und leistete dabei den Eid auf die Verfassung des
Königreichs. In der Eröffnungsrede sagte er: „In bewegter Zeit habe
Ich die Pflichten Meines königlichen Amtes übernommen, aber Ich trete
an die Mir nach Gottes Fügung gestellte Aufgabe mit der Zuversicht
des Pflichtgefühls heran und halte Mir dabei das Wort des großen
Friedrich gegenwärtig, daß in Preußen der König des Staates erster
Diener ist."
Alles bekundete die Absicht des jungen Kaisers, ein starker, aber
friedliebender Herrscher zu sein.
Den gleichen Zweck der Erhaltung des Friedens hatten die Besuche, ^^igen
die der Kaiser kurz nach seiner Thronbesteigung den fremden Höfen ab- Höfen,
stattete. Sein erster Besuch galt Rußland. Hieran schloß sich die Reise
zu den Königen von Schweden und Dänemark. Später besuchte er
auch England, den König von Griechenland und den Sultan, den
Herrscher der Türken. Zur Befestigung des Dreibundes dienten die Besuche
des Kaisers von Österreich und des Königs von Italien. Auch das
Oberhaupt der katholischen Kirche, Papst Leo XIII., besuchte er und zeigte
dadurch, daß er den kirchlichen Frieden der einzelnen Bekenntnisse erhalten
wissen wolle.
5. Äußere Politik. Fürst Bismarck blieb zunächst der Kanzler des Reichskanzler
Reiches. Dann aber entstanden tiefgehende Meinungsverschiedenheiten 3BilU^II
zwischen dem Kaiser und Bismarck. Am 20. März 1890 erhielt der erste
Reichskanzler des Deutschen Reiches seine Entlassung. Er zog sich in
das Schloß Friedrichsruh im Sachsenwalde zurück, wandte aber als
getreuer -Eckart allen nationalen Fragen seine Aufmerksamkeit zu uud sprach
als scharfer Beobachter und Kritiker seine Meinung öffentlich aus. Lange
Zeit hindurch herrschte eine unverkennbare Spannung zwischen ihm und
dem Kaiser. Wilhelm II. tat den ersten Schritt zur Annäherung, als
Fürst Bismarck in Kissingen schwerkrank daniederlag, durch eine in herz-
lichem Ton gehaltene Depesche. Am Geburtstage des Kaisers im Jahre
1894 erschien dann der Altreichskanzler im Königlichen Schlosse zu Berlin,
und am 1. April 1895 konnte er unter ganz besondern Ehrungen des
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