10
Kolumbus.
in aller Mund gekommen war, aus seiner Jugendzeit manches Ereignis, wenn
es wieder bekannt geworden wäre, seiner Stellung Eintrag getan hättet)
Historisch festgestellt ist, daß Kolumbus in der zweiten Hälfte des Jahres
1446 oder im Anfange des folgenden Jahres und zwar höchstwahrscheinlich
in der Stadt Genua geboren ist. Seine Familie stammt aus den östlichen
Vororten der Stadt und sein Vater Domenico Colombo besaß ein Haus in
Genua. Christosoro, der älteste Sohn, ergriff dasselbe Gewerbe wie sein Vater,
er wurde Wollweber und hielt sich wahrscheinlich bis 1473 in seiner Vater¬
stadt und dem benachbarten Städtchen Savona auf. Daß er inzwischen gelegen!-
lich kleine Seereisen im Mittelmeer gemacht habe, ist dabei nicht ausgeschlossen.
Im Jahre 1474 weilte er kurze Zeit auf der Insel Chios, die damals im
Besitze Genuas war.
Dann hören wir in Italien nichts mehr von ihm. Im Jahre 1477 ist
er in England, in Bristol. Bald darauf taucht er in Portugal auf. Ob er
schon vorher vorübergehend in Lissabon geweilt und von hier aus England
besucht habe, entzieht sich völlig unserer Kenntnis.
Daß er in Lissabon emporgekommen ist, steht außer Frage. Indes bleibt
es unerklärlich, wie ein Mann in seiner bürgerlichen Stellung die Verbindung
mit einem Patriziergeschlecht hat finden können. Denn es ist eine unbezweifelte
Tatsache, daß er sich mit einer vornehmen Dame aus dem Hause Perestrello
verheiratete. Wann diese Ehe geschlossen worden ist, läßt sich nicht sicher
bestimmen. Jedenfalls hörte von nun an wohl das unstete Leben des Genuesen
auf, wenn auch nicht ausgeschlossen ist, daß er nach seiner Verheiratung noch
ein- oder zweimal unter der Regierung des Königs Johann, also nach 1481,
eine Fahrt nach der Goldküste in Guinea unternommen hat. Mit dem neuen
Ausschwung der afrikanischen Forschungen, mit dem lebhafter erörterten Plan
eines Seewegs nach Indien hängen in Lissabon, dem Mittelpunkte aller dieser
Fragen, auch die lebendige Anteilnahme und die wissenschaftliche Vertiefung
zusammen, die Kolumbus in der ihm durch die Gunst der Heirat gebotenen
Muße gewinnen konnte.
Er sammelte für sich alles, was man sich am Hafen zu Lissabon von
fernen Inseln und unbekannten Ländern im Westen erzählte und was man
von Treibprodukten aus der See aufweisen konnte, die aus fremden Hölzern
oder gar seltsamen Schnitzwerken bestanden. Das alles gestattete ihm den
Schluß, daß im Schöße des westlichen Meeres noch manches Land oder manche
*) Die unter dem Namen seines zweiten Sohnes Ferdinand im Jahre 1571
erschienene Biographie des Entdeckers ist nicht echt. Da man aber bis vor vier
Jahrzehnten diese „Historien" für den wahren Grundstein jeder Darstellung und
Auffassung vom Charakter und Leben des berühmten Genuesen hielt, so hat das lange
das wahre geschichtliche Bild des Mannes verschleiert.