Die Baudenkmäler der Mayavölker.
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7. Die Baudenkmäler der ITlayauöIker.
Konrad Häbler, Amerika. Zu Helmolts Weltgeschichte.
(Leipzig und Berlin, Bibliographisches Institut.)
Unter dem Einflüsse der farbenprächtigen Schilderungen, welche die spanischen
Eroberer von dem Reiche Montezumas uns überliefert haben, hat man jähr-
hundertelang den Kulturkreis der zentralamerikanifchen Völker als den mexika-
nischen bezeichnet. Darin liegt aber eine große historische Ungerechtigkeit.
Denn die Mexikaner oder, wie man sie ethnographisch richtiger bezeichnen muß,
die Azteken von Mexiko-Tenochtitlan, sind weder die Begründer noch auch nur
die bedeutendsten Vertreter dieses Kulturkreises, der ihren Namen lediglich
durch den zufälligen Umstand erhalten hat, daß sie in dem Augenblick, wo die
Spanier in diese Ländergebiete eindrangen, seit kurzer Zeit eine führende
Stellung unter den dortigen Völkerschaften erlangt hatten. Ein Bewußtsein
erzwungener Hilfe des gefangenen Montezuma faßten die Spanier nach und nach festen
Fuß in Mexiko, bis ein allgemeiner Aufstand zur Befreiung des Königs ausbrach.
Während die Spanier in dem befestigten Palaste belagert wurden, fand Montezuma
durch die Geschosse der eigenen Untertanen den Tod und nun suchten die Azteken
die Fremden völlig zu vernichten; deshalb wurden auch die Dammbrücken beseitigt um
den Rückzug abzuschneiden. Cortes aber ließ eine tragbare Brücke zimmern und brach
bei dunkler Nacht auf um über den westlichen Damm zu entfliehen. Über diesen Rück-
zug schreibt Rüge: „Die erste Dammlücke wurde mittels der tragbaren Brücke glücklich
überschritten, obwohl die Azteken zu Lande lebhaft nachdrängten und von zahlreichen
Kähnen aus die Abziehenden mit Wurfgeschossen überschütteten. Schon bei der zweiten
Lücke wurde die Lage der Spanier höchst bedenklich. Da es regnete, waren die Brücken-
balken glatt geworden, zwei Pferde glitten aus, wurden scheu, überschlugen sich in den
See und auch die Brücke schlug um. Nun entstand ein verzweifeltes Gedränge; die
vorderen Reihen wurden ins Wasser gestoßen, wo sich Kampf und Gemetzel fortsetzte.
Wer sich durch Schwimmen zu retten suchte, wurde von den Kähnen eingeholt und
gefangen fortgeschleppt. Die Dammlücke füllte sich mit toten Rossen und Menschen-
leibern, mit Kanonen und Karren, und darüber ging der Strom der dichten, wogenden,
kämpfenden Menschenmenge. Jeder war nur noch auf die Rettung des eigenen Lebens
bedacht, es galt kein Kommando, es galt kein Zusammenhalt mehr. Alles drängte
nach dem festen Lande hinüber. Von den 1300 Spaniern, auf welche Zahl die europäische
Streitmacht des Cortes angewachsen war, kamen nicht mehr als 440 mit dem Leben davon,
und aucki sie waren alle verwundet, über 860 wurden getötet oder sielen den Azteken in die
Hände, welche sie ihren Göttern opferten. Verloren gingen ferner alle Kanonen, aller
Schießbedarf, alle Büchsen und 46 Pferde, so daß die Reiterei nur noch aus 23 Mann
bestand. Dieser Rückzug ist unter dem Namen „Die traurige Nacht" (la noche triste)
bekannt." — Als die Flüchtlinge das feste Land erreicht hatten, wurden sie einige Tage
später von einer großen Übermacht (200000 Mann) umzingelt und aus dieser Gefahr
nur durch die kühne Tat eines der Ihrigen gerettet, welcher mitten im Getümmel
auf den feindlichen Führer zusprengte, diesen tötete und damit den Anlaß zur Flucht
der Feinde gab. Endlich gelangten die Spanier nach Tlaskala, wo sie freundlich
empfangen wurden und sich allmählich wieder erholen konnten.