Full text: Von den alten Deutschen bis zum Jahre 1648 (Teil 1)

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Noch vor ihrer Seele steht 
Jener Tag der Not und Leiden. 
Und es ruft ihr Angstgebet: 
„Herr des Himmels, schlag die 
Heiden!" 
Horch! was braust zum Zelt 
heran, 
Nein! das tönt nicht wie von 
Siegen; 
„Zücke deinen Säbel, Chan, 
Fluch den Göttern, wir erliegen!" 
Hastig greift er nach dem Stahl 
Und zum Roß, dem flügge- 
schwinden; 
Weh, wie sieht er Macht und Zahl 
Seines Volks im Kampfe fchwin- 
den! 
Seine Reihen schon durchbrach 
Das Gedräng' der Sachsenspeere, 
Bayern, Franken stürmten nach, 
Engel schwebten vor dem Heere. 
Wohl sank noch manch edler 
Held — 
Eh' der Ungar war erlegen — 
Auf das blutgetränkte Feld 
Vor der Pfeile dichtem Regen. 
Doch das Kaiserheer begann 
Seine Flügel auszubreiten 
Und umwogte Mann an Mann 
Bald den Feind von allen Seiten. 
Als sich so vom Schlachtenglück 
Sah der Ungarfürst betrogen, 
Warf er rasch sein Pferd zurück, 
Warf gen Himmel seinen Bogen. 
Nach dem Flusse stob und schwoll 
Das Gewühl der flücht'gen Trosse, 
Und der Lech trug, leichenvoll, 
Ihn allein noch hoch zu Rosse. 
Eine Maid am Arme fest 
Hielt der riesige Madschare, 
Um ihn her, von Blut benäßt. 
Flogen ihre blonden Haare. 
Schon dem Rettungsufer nah' 
Trifft ihn ein Geschoß im Nacken, 
Und er sinkt und sinkt — und da 
Nach dem Strand noch will er 
packen. 
Aber in die Zügel fährt 
Rasch die Jungfrau, und zur Welle 
Reißt sie ihm zurück das Pferd 
In der Wogen Wirbelschnelle. 
Beide trägt dahin der Strom 
Mit den andern Leichen allen, 
Während fernher tönt vom Dom 
Glockenklang und Siegesschallen. Hermann Lingg. 
11. Jung Heinrich. 
Der dritte Heinrich wurde müd'. 
Nah treten hört er das Ende, 
Drum schalt' er, daß durchs weite Reich 
Man nach den Fürsten sende. 
Nun flogen die Boten, aufsaßen die Herr«, 
Und glitzernd im Sonnenscheine 
Wallten die Banner von nah und fern 
Nach Köln am grünen Rheine.
	        
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