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Noch vor ihrer Seele steht
Jener Tag der Not und Leiden.
Und es ruft ihr Angstgebet:
„Herr des Himmels, schlag die
Heiden!"
Horch! was braust zum Zelt
heran,
Nein! das tönt nicht wie von
Siegen;
„Zücke deinen Säbel, Chan,
Fluch den Göttern, wir erliegen!"
Hastig greift er nach dem Stahl
Und zum Roß, dem flügge-
schwinden;
Weh, wie sieht er Macht und Zahl
Seines Volks im Kampfe fchwin-
den!
Seine Reihen schon durchbrach
Das Gedräng' der Sachsenspeere,
Bayern, Franken stürmten nach,
Engel schwebten vor dem Heere.
Wohl sank noch manch edler
Held —
Eh' der Ungar war erlegen —
Auf das blutgetränkte Feld
Vor der Pfeile dichtem Regen.
Doch das Kaiserheer begann
Seine Flügel auszubreiten
Und umwogte Mann an Mann
Bald den Feind von allen Seiten.
Als sich so vom Schlachtenglück
Sah der Ungarfürst betrogen,
Warf er rasch sein Pferd zurück,
Warf gen Himmel seinen Bogen.
Nach dem Flusse stob und schwoll
Das Gewühl der flücht'gen Trosse,
Und der Lech trug, leichenvoll,
Ihn allein noch hoch zu Rosse.
Eine Maid am Arme fest
Hielt der riesige Madschare,
Um ihn her, von Blut benäßt.
Flogen ihre blonden Haare.
Schon dem Rettungsufer nah'
Trifft ihn ein Geschoß im Nacken,
Und er sinkt und sinkt — und da
Nach dem Strand noch will er
packen.
Aber in die Zügel fährt
Rasch die Jungfrau, und zur Welle
Reißt sie ihm zurück das Pferd
In der Wogen Wirbelschnelle.
Beide trägt dahin der Strom
Mit den andern Leichen allen,
Während fernher tönt vom Dom
Glockenklang und Siegesschallen. Hermann Lingg.
11. Jung Heinrich.
Der dritte Heinrich wurde müd'.
Nah treten hört er das Ende,
Drum schalt' er, daß durchs weite Reich
Man nach den Fürsten sende.
Nun flogen die Boten, aufsaßen die Herr«,
Und glitzernd im Sonnenscheine
Wallten die Banner von nah und fern
Nach Köln am grünen Rheine.