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einprägten oder sie mit ärgerlichen Streitigkeiten über diesen oder jenen
Punkt bekannt machten. Gallus, der nur ein schwacher Knabe war,
wurde durch diese Erziehung zu blindem Glauben gebracht und wurde
niemals ein kräftiger, tüchtiger Mann; Julian dagegen, den die Natur
mit bedeutenden Anlagen ausgestattet hatte, empfand bald großen Wider¬
willen gegen das Christenthum, um so mehr, als er sah, daß seine kaiser¬
lichen Bettern, die doch auch Christen waren, vor keiner Schandthat zurück¬
bebten. „Eine Religion," dachte er bei sich selbst, „die nicht im Stande
ist, ihren Bekennern Liebe zur Tugend einzuflößen, muß doch wohl wenig
oder nichts taugen." Freilich wagte er nicht, seine Abneigung offen zu
bekennen, weil er den Zorn des Constantins fürchtete, aber heimlich spottete
er über „die albernen Fabeln," wie er die Lehre des Christenthums
nannte, heimlich hing er der alten heidnischen Götterlehre, in der er sich
hatte unterrichten lassen, mit ganzer Seele an. Wie war es aber möglich,
daß er die wirklichen Fabeln des Heidenthums für Wahrheit halten konnte?
Das kam daher, weil seine heidnischen Lehrer klug genug waren, ihm
deutlich zu machen, daß allen diesen Fabeln ein tieferer Sinn zu Grunde
liege, was allerdings auch bei vielen der Fall war. Julian verlebte eine
unglückliche Jugend; denn er war gezwungen, seine wirkliche Meiuung vor
seiner ganzen Umgebung zu verbergen und Anhänglichkeit an eine Religion
zu heucheln, die er haßte, weil er sie nicht verstand. Seine glücklichsten
Stunden verlebte er des Nachts; dann stahl er sich fort und begab sich
zu den heidnischen Priestern, las mit ihnen die Werke der alten Schrift¬
steller und opferte den Göttern. —
Als er 24 Jahre alt geworden war, berief ihn Constantins, der
schon seit 350 allein herrschte, zu sich nach Constantinopel und schickte
ihn, nachdem er ihm seine Schwester zur Gemahlin gegeben hatte, als
Statthalter nach Gallien, um dort die Einfälle germanischer Völkerschaften
abzuwehren. Vielleicht hätte der mißtrauische Constantins das nicht
gethan, wenn nicht auch zugleich von Osten her die Perser in sein Land
gefallen wären und er nicht gefühlt hätte, daß er einer kräftigen Hülfe
bedürfe. — Als Julian nach Gallien kam, fand er Arbeit vollauf, aber
er überwand alles mit männlicher Geduld. Da er gegen seine Soldaten
freundlich und gerecht war und jede Beschwerlichkeit und Gefahr treu
mit ihnen theilte, folgten ihm diese willig, fochten tapfer, und so gelang
es ihm schon nach kurzer Zeit, die Eindringlinge aus Gallien zu ver¬
treiben und sie zum Frieden zu nöthigen. Nachdem der Friede gesichert
war, suchte er in seinen Provinzen die Ordnung, die schon so lange ge¬
stört war, wieder herzustellen, hielt streng aus die Befolgung der Gesetze,
verminderte die Abgaben und beförderte den Anbau der verwüsteten
Landstrecken. Natürlich erwarb er sich auch manche Feinde, und diese
suchten ihn bei Constantins anzuschwärzen, indem sie ihn beschuldigten,
daß er auf Empörung sinne. Es gelang ihnen, und der argwöhnische
Constantins befahl ihm sogleich, den besten Theil seiner Truppen weg-
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