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Soll ich's zur Schmiede führen?“ „Laß es fehlen,“ antwortete der Herr,
„die paar Stunden, die noch übrig sind, wird es wohl aushalten. Ich
habe Eile.“ Er ritt fort; aber nicht lange, so fing das Pferd an zu
hinken. Es hinkte nicht lange, so fing es an zu stolpern, und es stolperte
nicht lange, so fiel es und brach ein Bein. Der Kaufmann mußte das
Pferd liegen lassen, den Mantelsack abschnallen, auf die Schulter nehmen
und zu Fuß nach Hause gehen, wo er erst spät anlangte. „An allem
Unglück,“ sprach er zu sich selbst, „ist der verwünschte Nagel schuld. —
Eile mit Weile!“ Märchen. — Brüder Grimm.
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172. Rotkäppchen.
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1. Es war einmal eine kleine süße Dirne, die hatte jedermannn
lieb, der sie nur ansah, am allerliebsten aber die Großmutter; die wußte
gar nicht, was sie alles dem Kinde geben sollte. Einmal schenkte sie ihm
ein Käppchen von rotem Sammet, und weil ihm das so wohl stand und
es nichts anderes mehr tragen wollte, hieß es nur das Rotkäppchen. 15
Eines Tages sagte seine Mutter zu
ihm: „Komm, Rotkäppchen, da hast
du ein Stück Kuchen und eine Flasche
Wein, die bringe der Großmutter
hinaus; sie ist krank und schwach und
wird sich daran laben. Sei aber
hübsch artig und grüße sie von mir,
geh auch ordentlich und laufe nicht
vom Wege ab, sonst fällst du und
zerbrichst das Glas; dann hat die
kranke Großmutter nichts.“ Rot—
käppchen sagte: „Ich will alles recht
ausrichten!“ und versprach es der
Mutter in die Hand.
2. Die Großmutter aber wohnte
draußen im Walde, eine halbe Stunde
vom Dorfe. Wie nun Rotkäppchen
in den Wald kam, begegnete ihm der
Wolf. Rotkäppchen aber wußte nicht,
was für ein böses Tier das war, und
fürchtete sich nicht vor ihm. „Guten Tag, Rotkäppchen!“ sprach er. —
„Schönen Dank, Wolf!“ — ‚Wo willst du so früh hinaus, Rotkäppchen?“
Zur Großmutter!“ — „Was trägst du unter der Schürze?“ —
„Kuchen und Wein für die kranke und schwache Großmutter; gestern
haben wir gebacken, da soll sie etwas zur Stärkung haben.“ — „Rot⸗ 40
käppchen, wo wohnt deine Großmutter?“ — „Noch eine gute Viertel⸗