Full text: Bilder aus der Geschichte der Provinz Westfalen

§ 25. Der Krieg von 1866 und die Gründung des Norddeutschen Bundes. 115 
betrags von wenigstens 3 Mark knüpfte (1868). Die schon so lange 
geforderten Geschworenengerichte traten nun ins Leben, für minder 
schwere Sachen richtete man Schöffengerichte ein. Die Kirchen- 
Vorstands- und Synodalordnung vom 30. März 1868 führte die 
Laienbeteiligung, also das konstitutionelle Prinzip in der Kirchenverwaltung 
ein. Jede Kirchengemeinde wählt Kirchenvorsteher, die mit dem Geistlichen 
zum Kirchenvorstand zusammentreten, um die kirchliche Ordnung zu 
beaufsichtigen, das Kirchenvermögen zu verwalten, auf Zucht und Sitte 
zu achten und den christlichen Sinn zu beleben. Alle wichtigeren, die 
ganze Landeskirche betreffenden Fragen müssen der mindestens aller fünf 
Jahre einzuberufenden Landessynode vorgelegt werden, die sich zum 
größeren Teil aus Laien zusammensetzt. Wie in Preußen, bildete sich 
auch in Sachsen eine nationalliberale Partei, die sich die Pflege 
der Beziehungen des Landes zum Bunde zur besonderen Aufgabe machte. 
Für das Wirtschaftsleben bedeuteten die Jahre 1850—1870 Das WirWasts- 
eine Zeit glänzender Entfaltung. In der Baumwollindustrie kam der Ie6en' 
mechanische Betrieb zu voller Herrschaft. Die Spinnerei nahm rasch 
die in allen Teilen sich selbst regulierende Selsaktormaschine in ihren 
Dienst, die es einem Spinner ermöglicht, mehr als 1000 Spindeln zu be¬ 
dienen. Deren Leistungen waren um so größer, als man sie nun all- 
gemein mit der Dampfkraft zu betreiben begann. Da das Eisenbahnnetz 
rasch ausgebaut wurde und man so bequemer und billiger als früher den 
Rohstoff wie auch die Kohlen beziehen konnte, so nahm die Baumwoll- 
spinnerei von neuem einen kräftigen Aufschwung. Aber der nordamerikanische 
Sonderbundskrieg hemmte sie außerordentlich; 1860 wurden in Chemnitz 
fast 22 Mill. kg Rohbaumwolle eingeführt, 1862 nur 8 Miß.; den alten 
Stand erreichte sie bei weitem nicht wieder. Die Baumwollgewebe stellte 
man in den 1860er Jahren auch schon zum allergrößten Teil auf mecha- 
nischem Wege her; ebenso gewann in der Wollspinnerei der Maschinen- 
betrieb das Übergewicht. Dagegen bediente sich die Tuchweberei, die wie 
immer aus der Not der Baumwollindustrie Nutzen zog, fast durchgängig 
noch des Handwebstuhls. Der Maschinenbau vervollkommnete und ver- 
zweigte sich immer mehr; Leipzig wurde ein Hauptort für landwirtschaftliche 
Maschinen, Dresden der erste Platz Deutschlands für Nähmaschinen. 
Riesenhaft steigerten sich die Ansprüche des Hauses, der Fabrik und des 
Verkehrs an den Kohlenbergbau. In Zwickau förderte man 1850 
7% Mill. Zentner, 1871 aber 41% Mill. Zentner Steinkohlen. Leipzigs 
Handel nahm einen ungeahnten Umfang an; er führte hauptsächlich 
englische Baumwollgarne, Kolonialwaren und russisches Pelzwerk ein. 
Sachsens Jndustrieerzeuguisse wurden zwar in erster Linie auf dem 
Binnenmarkte abgesetzt, gingen aber auch nach allen Ländern Europas, 
nach Amerika und Australien. Der Anteil Sachsens an der Ausfuhr 
des Zollvereins nach Nordamerika betrug 1855 mehr als^28°/g. Der
	        
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