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Auf dem Schlosse Rheinsberg lebte Friedrich im Kreise von Freunden der
Kunst und Wissenschaft. Mehrere Schriften aus jener Zeit Befunden die tiefe
Einsicht Friedrichs in staatliche Fragen und in die Pflichten eines Regenten.
Folgende Sätze daraus sind die Leitsterne für seine Regierung geblieben:
„Die Fürsten sind einzig dazu eingesetzt, daß sie für die öffentliche Wohlfahrt
sorgen. — Der Fürst ist daher nicht der unumschränkte Herr, sondern nur der
erste Diener des Staates. — Der Fürst soll das Glück des Volkes, das Volk
der Ruhm des Fürsten sein." — Immer mehr lernte der Vater den Sohn
schätzen, und auf dem Totenbette rief er mit Thränen: „Mein Gott, ich
sterbe zufrieden, da ich einen so würdigen Sohn und Nachfolger hinterlasse."
4. Der erste schlesische Krieg (1740—42). Im Jahre 1740 bestieg
Friedrich den Thron. In demselben Jahre starb Kaiser Karl VI. Dieser
hatte durch eine Verordnung seine einzige Tochter Maria Theresia zur
Erbin seiner Länder bestimmt. Aber Feinde ringsum erhoben sich nach seinem
Tode und machten ihr die Erbschaft streitig. So forderte auch Friedrich
Schlesien zurück, das nach dem Erbvertrage Joachims II. seinem Hause ge¬
hörte. Doch die edle, mutige Fürstin sprach: „Eher müßten die Türken vor
Wien stehen, ehe ich auf Schlesien verzichte!" Ihr Gesandter warnte Fried¬
rich: „Ihre Truppen sind schön, aber unsere haben vor dem Feinde gestanden!"
Friedrich antwortete: „Ich hoffe, Ihnen zu beweisen, daß sie auch gut sind!"
So rückte er über die Grenze mit dem Entschlüsse, „Ehre von diesem Unter¬
nehmen zu haben oder unterzugehen." Sein Wahlspruch war: „Für den
Ruhm und das Vaterland!" Schon hatte er fast ganz Schlesien einge¬
nommen, da rückte der österreichische Feldmarschall Neipperg über Schnee
und Eis heran und lieferte ihm die Schlacht bei Mollwitz. Lange schwankte
die Wage; Friedrich selbst geriet in Gefahr und wurde zuletzt durch den
schnellen „Mollwitzer Schimmel" aus der Schlacht getragen; endlich aber siegte
die Feldherrnkunst seines Schwerin. Maria Theresia beschwor in ihrer
Not mit Thränen in den Augen und ihrem Söhnlein auf dem Arm die
Ungarn in Preßburg, ihr zu helfen. „Blut und Leben für unsere Königin
Maria Theresia!" gelobten sie begeistert. Friedrich mußte sich zurückziehen,
erfocht jedoch abermals einen Sieg bei Czaslau und Ehotusitz, worauf
Maria Theresia im Frieden zu Breslau Schlesien abtrat.
5. Der zweite schlesische Krieg (1744—45). Als Maria Theresia
siegreich gegen ihre übrigen Feinde war und in Gedanken auch schon gegen
den „Räuber Schlesiens" zog, da griff Friedrich abermals zum Schwerte und
drang bis Prag vor. Doch Hunger und Feinde nötigten ihn zum Rückzüge
und brachten ihn in Bedrängnis. Im Kloster Kamenz hätten ihn Kroaten
fast gefangen, aber der Abt rettete ihn dadurch, daß er ihn in eine Mönchs¬
kutte steckte. In dieser Zeit schlug sich sein wackerer Husarengeneral Zieten
durch 20000 Österreicher, indem er sie anfangs durch die neuen Uniformen
seiner Husaren täuschte. Der Sieg bei Hohenfriedberg machte Friedrich
endlich Luft. Von Frieden wollte Maria Theresicf'oBer noch nichts wissen
und lieber das Hemd vom Leibe als Schlesien verlieren. Da siegte Friedrich
bei (sjLor und der alte Dessauer bei KesselsHors. Die Truppen des
letzteren wateten durch eisige Moräste und stürmten den mit Schnee und Eis
bedeckten Hügel, ans dem die Sachsen standen. Maria Theresia trat nun im
Frieden von Dresden Schlesien abermals an Friedrich ab; dieser hingegen
erkannte ihren Gemahl Franz I. als Kaiser an.
6. Der siebenjährige Krieg (1756—63). g,) Veranlassung. Maria
Theresia konnte den Verlust Schlesiens nicht verschmerzen, und die Thränen