11. Karl's V. Wahl und Wahlcapitulation.
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diese Gefahr bei seinem ungleich mächtigern Nachfolger noch drohender und
unvermeidlicher. Daher mußte Karl V. in der von den Kurfürsten ent¬
worfenen Wahlcapitulation (in 34 Artikeln) außer den allgemeinen Verspre¬
chen, welche bei jeder Wahl ertheilt wurden (das Reich und alle Glieder des
Reiches, die Kirche, das Recht, den Frieden zu schützen, die Privilegien aller
Stände, namentlich der Fürsten und Kurfürsten, zu schützen), noch insbeson¬
dere geloben, ohne Wissen und Willen der Kurfürsten kein Bündniß mit
fremden Staaten zu schließen, nichts, das dem Reiche gehört, zu veräußern
oder zu verpfänden, von freien Stücken keinen Krieg anzufangen, aber das
Reich im Falle eines Angriffs zu vertheidigen, keine fremden Kriegs¬
völker in das Reich zu führen, ohne Zustimmung der Kurfürsten keine Steuern
auszuschreiben und keinen Reichstag zu berufen, die Reichsämter (Kanzler,
Marschall u. a.) nur an Einheimische, welche „von gutem Stande" seien,
zu vergeben, in den Reichsverhandlungen und in dem Verkehr mit den
Ständen sich nur der deutschen oder lateinischen Sprache zu bedienen,
Niemanden zu Diensten außerhalb des Reiches zu verpflichten, selbst so viel
als möglich seine Residenz innerhalb der Reichsgrenzen zu nehmen, sich zum
Empfange der Krönung persönlich in das Reich zu begeben, auch später die
kaiserliche Krone zu empfangen u. f. w. Den Wahlfürsten schien auch ihre
Zukunft um so beruhigter, als eiu Monarch an die Spitze trat, dessen voraus¬
sichtliche öftere Abwesenheit vom Reiche ihrer ständischen Selbstregierung Raum
ließ, und dies war nicht das letzte Motiv der vollzogenen Wahl.
Der gesicherte Besitz des Kaiserthums verlangte, daß Karl, sobald als
möglich, zum Empfang der Krönung nach Deutschland gehe. Wohl herrschte
Unzufriedenheit in Spanien, die königliche Gegenwart schien nöthig, um einen
gewaltsamen Ausbruch der bösen Stimmung zu verhindern. Aber die Günst¬
linge, die Karl aus Belgien mit sich genommen, sehnten sich aus Spanien
hinweg, wo man sie beschuldigte, durch eine käufliche Verwaltung und scham¬
lose Erpressungen sich bereichert zu haben. Diese niederländische Umgebung
des Königs, in dem Verlangen, die Früchte ihrer spanischen Ernte daheim in
Ruhe zu genießen, wußte die für Karl's Herrschaft aufsteigenden Gefahren
als geringfügig darzustellen und konnte auf dringende Briefe, die aus Deutsch¬
land eintrafen, hinweisen. Karl bestellte den Cardinal Adrian von Tortosa
zum Statthalter feiner spanischen Königreiche, der schon als Niederländer
wenig geeignet war, die erbitterten Spanier zu beruhigen. In dem Augen¬
blicke, als der König abreiste, brachen schon Aufstände in mehreren Städten
Spaniens aus. Doch ihn hielt nichts zurück, er schiffte sich am 19. Mat zu
Corunna in Galicien ein und landete ant 1. Juni zu Vließingen. Mit
Heinrich VIII. von England traf er in Dover und in Gravelmgen zusammen,
um das englische Bündniß sester zu knüpfen, auf das ihn das gespannte
Verhältniß zu Frankreich anwies. Der Festlichkeiten bet seinem Durchzuge
durch Brügge, Gent, Brüssel war kein Ende, und den in Brüssel versammel-