Full text: Bilder aus der Weltgeschichte und Sage

Religion der Germanen. 121 
Thor. Fast eben so allgemein wurde Donar oder Thor verehrt. Er war 
der über Wolken und Regen gebietende, durch Blitz uud Donner sich verkündende 
Gott, dessen Keil durch die Lüste fährt und ans der Erde einschlägt. Man dachte 
sich ihn als einen schlanken, schönen rothbärtigen Jüngling, der einen wunderbaren 
Hammer trägt, und ihn gegen die Riesen schleudert. Hiermit hängt noch der Volks¬ 
glaube zusammen, daß mit dem zündenden Blitz zugleich ein schwerer Keil ans der 
Wolke, tief wie der höchste Kirchthnrm, in die Erde fahre. Man pflegte zu Thor 
um fruchtbaren Regen zn beten. Eine solche, jedoch späterer Zeit angehörige Formel 
lautete: „Heiliger Donar, bewahre uuseru Acker, daß er trage gut Stroh unterwärts, 
gute Sichren überwärts und gut Korn innenwärts". Von ihm hat der Donnerstag 
den Namen, sowie manche Berge, wo er besonders verehrt wurde, z. B. der Donners¬ 
berg in der Pfalz. 
Frigg. Unter den Göttinnen bemerken wir zuerst die Gattin Odins, Frigg, 
die Freie, Schöne, Liebenswürdige. Sie hat den Rang vor allen übrigen Göttinnen. 
Oester sitzt sie neben Odin auf seinem Thron und hört nnd sieht dann alles, was 
sich unter den Menschen zuträgt. Sie nimmt Eide ab und steht den Ehen vor. 
Lieblicher noch und allgemeiner verehrt war 
Freya, die erfreuende und gnädige Göttin, die wir auch in unserm Freitag 
wiederfinden. Sie war einem Manne, Namens Odher, vermählt, der sie aber 
verließ, und den sie, Thränen vergießend in der weiten Welt aufsuchte. Ihre Thränen 
wurden Goldperlen., Doch erscheint sie auch kriegerisch; auf einem mit zwei Katzen 
bespannten Wagen fährt sie zur Kampfstätte und theilt sich mit Odin in die Er¬ 
schlagenen. Weife Frauen kommen zn ihr nach dem Tode, und Verlobte rufen sie 
in Stefciern an. 
Die Hel oder Hellia (Hölle) ist die Göttin, welche die abgeschiedenen Seelen 
in Empfang nimmt, und sie unerbittlich in ihrer Wohnung zurückhält. Diesen 
Begriff und Namen haben wir nur wenig verändert in unserm Wort „Hölle" 
beibehalten. 
Hertha ist wahrscheinlich die allernährende Erde. Sie wurde auf der Insel 
Rügen besonders verehrt. Dort findet sich ein heiliger Hain, und in dessen Mitte 
ein schwarzer See. Nur ein Mal des Jahres betritt des Sterblichen Fuß diesen 
geheimnißvollen Ott. Ein Priester fuhrt die Göttin in einem mit Gewändern 
verhüllten, von Kühen gezogenen Wagen unter den anwohnenden Völkern umher. 
Die Waffen ruhen dann; Friede allenthalben und fröhliche Tage. Wenn sich end¬ 
lich die Göttin au dem Umgang mit den Sterblichen gesättigt hat, kehrt sie in ihren 
Hain zurück und steigt wieder in die schwarze Flut hinab. Die Sklaven, welche 
die Kühe abspannen, verschlingt nach vollbrachtem Dienst die gleiche See. Ein 
geheimnißvoller Schleier ruhte über diesem Dienste. 
Holda, die freundliche, milde Göttin, dachte man sich als_ein die Erde um¬ 
spannendes Wesen., Wenn es schneit, dann macht sie ihr Bett, dessen Federn fliegen. 
Sie liebt den Ausenthalt in See und Brunnen; zur Mittagsstunde sieht man sie 
als schöne weiße Frau in der Flut baden und verschwinden. Sie fährt auf einem 
Wagen. Einst ließ sie durch einen Bauern denselben ausbessern. Die abfallenden 
Späne waren lauter Gold. Auch ist ihr der Flachsbau und das Spinnen sehr 
angelegen. Fleißigen Dirnen schenkt sie Spindeln und spinnt ihnen nachts die 
Spule, voll. Faulen Spinnerinnen zündet sie den Rocken an, oder besudelt ihn. 
Doch fährt sie auch zuweilen nachts grauenhaft mit einem wüthenden Heer durch 
die Lüste. Die Frau Holle ist in Thüringen nnd Hessen noch jetzt Gegenstand 
des Aberglaubens, und die Kinder werden oft mit ihr geschreckt. 
Helden und Halbaottheiten. Außer diesen obern Gottheiten verehrten die alten 
Deutschen auch eine Menge von Helden, Halbgottheiten und niedern Geistern. — 
Unter den Helden merken wir den Tnisko nnd seinen Sohn Man und Jrmin. 
Unter den Halbgöttern spielen die weisen Frauen eine besonders wichtige Rolle; 
sie dienen den Göttern und verkündigen den Sterblichen. Die wichtigsten unter 
ihnen sind, die dreiNotnen oder Schicksalsgöttinnen, welche das Leben der Sterb¬ 
lichen an miemGoldfaden abspinnen, und wenn es endigen soll, denselben zerschneiden. 
Untiere sind die Walküren oder Schlachtjungfrauen, welche dem Odin dienen, 
der sie entsendet, um die zu wählen (zu küren), und zu ihm zu geleiten, welche in 
der Schlacht fallen sollen. Neun derselben reiten gewöhnlich zusammen aus; ihre 
.Veline, Lanzen und Schilder glänzen; ihre Pferde schütteln sich und Thau fällt zur 
Ocrde. — Eine besondere Art dieser Walkyren sind die Schwanjungsranen,
	        
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