bis zum Schlüsse des Mittelalters.
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biblischen Inhalts über einer Holztäfelung geschmückt, von der Decke
hängen Kronleuchter und Laternen herab sowie Schiffsmodelle und
Seltenheiten ferner Seefahrt. In ihm steht gleichlaufend eine Reihe
von Bänken, die am Boden befestigt sind, und deren Lehnen, nach
Art gotischer Kirchenstühle hochgezogen, vollkommen trennende Schranken
bilden, so daß die auf einer Bank sitzenden Genossen die der anderen,
jenseits der Schranke befindlichen Bank nicht sehen können. Vor den
Bänken stehen rohe Tische. Die ganze Anordnung weist jedem Ge¬
nossen einen unverrückbar bestimmten, ihn an gewisse Personen binden¬
den Platz an; kein Genosse, wo er auch sitzt, ist in der Lage, die
ganze Gesellschaft zu überblicken; nur der Vorstand, der den
Bänken quervor an besonders erhöhtem Tische thront, vermag alle
zu sehen — und alle zu leiten.
So kam man zusammen, so tafelte man; an solchem Ort ver¬
diente man sich nur dann einen höher geachteten Platz, wenn man
ein Lemeinsames Essen bezahlte; hier sprach man nach Befehl dem
Becher zu. Und man wollte ganz unter sich sein, und nur unter der
Herrschaft genauester Gesetze fühlte man sich wohl.
4. Kleidung. Der Kleiderluxus war im 15. Jahrhundert auf eine
kaum glaubliche Höhe gestiegen. Nicht bloß die Patrizier und städtischen
Würdenträger, sondern selbst gewöhnliche Bürger trugen Perlen auf
ihren Hüte», an ihren Wämsern, Hosen, Röcken und Mänteln, goldene
Ringe an den Fingern, mit Silber beschlagene Gürtel, Messer und
Schwerter, selbst Gürtel von reinem Gold und Silber; ihre Kleider
waren mit Silber und Gold gestickt, die Stoffe von Sammet, Damaskat
oder Atlas; sie hatten zierlich gefaltete seidene Hemden mit goldenen
Borten; an Mänteln und Röcken Unterzeug und Umschlag von Zobel,
Hermelin und Marder. Die Bürgersfrauen und ihre Töchter durch¬
flochten ihre Zöpfe und Locken mit reinem Gold, umhingen sich mit
Geschmeide und trugen Perlen, goldene Kronen oder gold- und perlen-
gestickte Hauben auf dem Kopf. Ihre mit Perlen oder Gold einge¬
wirkten Kleidungsstoffe von Sammet, Damast oder Atlas waren noch
kostbarer als die der Männer; goldeingewirkte Hemden galten „als
erbare franeutracht." Der Rat von Regensburg, der im Jahre 1485
eine Kleiderverordnung erließ, gestattete den vornehmen Bürgersfrauen
und Jungfrauen als erlaubt: acht Röcke, sechs lange Mäntel, drei
Tanzkleider und einen geflügelten Rock mit nicht mehr als drei Ärmeln
von Sammet, Damast oder anderer Seide. Jede durfte besitzen und
tragen: zwei Haargebinde von Perlen, je zu zwölf Gulden an Wert;