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Die neue Zeit.
öftreichische Regierung, so wie die schwere Einquartierung und die Gewalt-
thätigkeiten gegen einige Magnaten bedenkliche Aufstände erregt, in einem
Augenblick, wo die Türken die frühern Eroberungspläne erneuten und einige
rüstige Großveziere den kriegerischen Geist der Janitscharen wieder weckten. Die
i67i. öftreichische Regierung hoffte durch Strenge der Bewegung Meister zu werden.
Sie ließ die Hauptführer auf dem Schaffst sterben und verletzte die verbrieften
Rechte dex Nation. Aber diese Gewaltschritte reizten den Freiheitssinn und
16™- Kriegsmuth der Ungarn. Emmerich Tökeli, ein thatkräftiger Edelmann, des¬
sen Güter eingezogen worden, entfaltete die Fahne der Empörung. In Kurzem
J08i. stand ihm eine beträchtliche Streitmacht zu Gebote, mit der er das öftreichische
Kriegsvolk aus Ungarn vertrieb. Ludwig XIV. leistete ihm Beistand, und die
Pforte, die ihn als zinspflichtigen König von Ungarn anerkannte, schickte ein
großes Heer zu seinem Schutze ab. Sengend und brennend rü ckten die Tür¬
ken bis vor die Mauern Wiens. Der Hof flüchtete sich nach Linz, Oest-
reichs Hauptstadt schien verloren. Allein der Heldenmuts) der Bürgerschaft und
ihres Führers Rüdiger von Staremberg so wie die Ungeschicklichkeit der
Osmanen im Belagerungskrieg bewirkten, daß Wien 60 Tage lang allen An¬
griffen Trotz bot, bis die von KarlvonLothringen befehligte Reichsarmee
und ein mit derselben vereinigtes polnisches Heer unter dem Heldenkönig Jo¬
hann Sobiesky der bedrängten Stadt zu Hülfe kam. Eine blutige Schlacht
9. Sept. unter den Mauern Wiens entschied wider die Türken. Sie zogen eilig ab und
iss», sjeßen unermeßliche Beute in den Händen der Sieger. Von dem an blieb das
Glück der Schlachten bei dem östreichischen Heere. Ungarn wurde erobert, Tö¬
keli zur Flucht genöthigt und Ofen nach 146jährigem Besitz den Türken ent¬
rissen. Nachdem das Blutgericht von Eperies den ungarischen Adel seiner-
unternehmendsten Führer beraubt und Schrecken unter der ganzen Nation ver¬
breitet hatte, konnte Kaiser Leopold auf dem Reichstag zu Preßburg die
168/. Aufhebung des Mahlkönigthums und die Entfernung einiger die Kö¬
nigsmacht beschränkender Rechte aus der Verfassung ohne Widerstand durch¬
setzen. So wurde Ungarn ein Erbland der Habsburger. Die Türken machten
noch große Anstrengungen, um das Verlorne wieder zu erlangen, und um Bel¬
grads Mauern wurde christliches und türkisches Blut in Strömen vergossen;
aber die großen Kriegshelden Karl vo n Lothringen, Prinz Eugen und
Ludwig von Baden hielten den Sieg bei Oestreichs Fahnen fest. In dem
1699. Frieden von Carlowih wurde Siebenbürgen und alles Land zwischen der
Donau und Theiß den Oestreichern abgetreten.
d) Der Orkeans'sche Krieg.
§. 407. Um den Türken gegen Oestreichs Waffenglück eine Erleichterung
Orleans'-zu schaffen, benutzte Ludwig XIV. die pfälzische Erb scha ftssuche und die
MjEg Kölner Erzbisch osswahl zu dem dritten, dem sogenannten Orleans-
,689- schen Krieg. Als Kurfürst Karl bei Rhein ohne männliche Erben starb und
16!)7' das Land an die katholische Seitenlinie Pfalz Neuburg fiel, sprach Lud¬
wig XIV. für die an seinen Bruder, den Herzog von Orleans, vermählte
Schwester des verftorbeuen Kurfürsten, Elisabetha Charlotte, nicht nur
die bewegliche Habe, sondern auch die Liegenschaften als Erbtheil an und ließ,
als er mit seiner Forderung nicht durchdrang, seine Heere an den Rhein rücken.
Um den Feinden das Eindringen in Frankreich unmöglich zu macken, befahl
der harte Kriegsminister Louvois, durch Verheerung der Rheinge¬
genden eine Wüstenei zwischen beiden Reichen zu schaffen. Wie Mordbrenner