Full text: Deutsche Dichtung in der Neuzeit (Abt. 2)

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Du hier mich siehst, was du bereits erfahren, 
Verkündigt laut genug, daß einer mit mir ist, 
Der mehr vermag als alle deine Scharen. 
Wähl itzt das beste Teil, wofern du weife bist!" 
20. Indes, an Kraft und Schönheit einem Boten 
Des Himmels gleich, der jugendliche Held, 
Uneingedenk der Lanzen, die ihm drohten, 
So mannhaft spricht, fo mutig dar sich stellt: 
Beugt Rezia von fern mit glühend roten 
Entzückten Wangen liebevoll 
Den schönen Hals nach ihm, doch schaudernd, wie der Knoten 
Von all den Wundern sich zuletzt entwickeln soll. 
21. Herr Hüon hatte kaum das letzte Wort gesprochen, 
So fängt der alte Schach wie ein Beseßner an 
Zu schrein, zu stampfen uttb zu pochen, 
Und sein Verstand tritt gänzlich ans der Bahn. 
Die Heiden all in tollem Eifer springen 
Von ihren Sitzen auf mit Schnauben und mit Dräun. 
Und Lanzen, Säbel, Dolche dringen 
Ans Mahoms Feind von allen Seiten ein. 
22. Doch Hüon, eh sie ihn erreichen, reißt in Eile 
Der Männer einem rasch die Stange aus der Hand, 
Schlägt um sich her damit als wie mit einer Keule 
Und zieht stets fechtend sich allmählich an die Wand. 
Ein großer goldner Napf, vom Schenktisch weggenommen. 
Dient ihm zugleich als Schild und als Gewehr; 
Schon zappeln viel am Boden um ihn her, 
Die seinem Grimm zu nah gekommen. 
23. Der gute Scherasmiu, der an der Thüre fern 
Zum Schutz der Schönen steht, glaubt seinen ersten Herrn 
Im Schlachtgedräng zu sehn und überläßt voll Freude 
Sich einen Augenblick der süßen Augenweide; 
Doch bald zerstreut den angenehmen Wahn 
Des Fräuleins Angstgeschrei; er sieht der Heiden Rasen, 
Sieht seines Herrn Gefahr, setzt flugs das Hifthorn an 
Und bläst, als läg' ihm ob die Toten aufzublasen. 
24. Die ganze Burg erschallt davon und kracht, 
Und stracks verschlingt den Tag die fürchterlichste Nacht, 
Gespenster lassen sich wie schnelle Blitze sehen, 
Und unter stetem Donner schwankt 
Des Schlosses Felsengrund. Der Heiden Herz erkrankt; 
Sie taumeln Trunknen gleich, Gehör, Gesicht vergehen, 
Der schlaffen Hand entglitschen Schwert und Speer, 
Und gruppenweis liegt alles starr umher. 
25. Der Sultan, übertäubt von so viel Wunderdingen, 
Scheint mit dem Tod den letzten Kampf zu ringen; 
Sein Arm ist nervenlos, sein Atem schwer, 
Sein Puls schlägt matt und endlich gar nicht mehr.
	        
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