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Füßen nieder und starb. Entsetzt floh sie zurück in die väter¬
liche Burg und jagte seitdem nie inehr.
Einst kam Mutter Ute in das Gemach des Töchterleins,
das traurig und verstört mit Fenster saß. „Warum bist Dn
so traurig, mein liebes Kind?" fragte sie besorgt. „Ad)/Z,
erwiederte Chriemhild, „mir träumte, ich hätte einen edlen
Falken ausgezogen, den ich gar lieb hatte. Als der nun
eines Tages aufflog, stürzten zwei Adler, tückisch aus einer
Felsenkluft hervorbrechend, auf ihn los und erwürgten ihn
vor meinen Augen. Da erwachte ich, und ich kann die trau¬
rige Geschichte nicht vergessen." Da wurde die Mutter sehr
emst und sagte: „Mein Kind, der Falke ist der edle Held,
der einmal Dein Gemahl werden wird; die Adler bedeuten
zwei tückische Männer, die ihm nach dem Leben trachten wer¬
den. Möge Gott Dir seinen Beistand verleihen, daß Du
den Geliebten vor ihrer: Ränken beschützest." Noch lange
sprachen die Frauen mit einander, bis Chriemhilde sich be¬
ruhigt hatte; dann ging sie zu ihren Blumen und fütterte
ihre Tauben.
Gegen Mittag entstand in der Burg ein ungewöhnliches
Hin- und Herlaufen; Hörner erklangen, Stimmen erschallten,
und man hörte das vielfache Stampfen nnd Schnauben von
Rossen. Frau Ute kam zu Chriemhilde und sagte: „Kind,
folge mir auf den Söller! Unbekannte Recken sind angekom¬
men; ihre Gewänder und Rüstungen strahlen von edlem
Gestein und glänzendem Golde, selbst ihre Rosse sind könig¬
lich geschmückt." Ängstlich bat Chriemhilde, die Mutter möge
sie im Garten lassen, denn sie fürchte sich vor den Fremd¬
lingen.
Da ging die Königin allein, die Ankömmlinge zu sehen.
Ihre Sohne hatten schon die Fremden gesehen, aber weil sie
dieselben nicht kannten, riefen sie Hagen, den Weitgereisten
und frugen ihn nach ihrem Rainen. Der sagte: „Der
Held, der auf dem schneeweißen Rosse vorausreitet und den