122
Bekenntniß sich zu unterwerfen versprachen. Allein so oft sie auch, solches
zu thun bereit waren, ebenso oft waren sie geneigt, alles wieder umzu¬
stoßen. So verging fast kein Jahr, in dem sie ihre Gesinnung nicht ge¬
ändert hätten. Aber die Hochherzigkeit des Königs, die im Unglück, wie
im Glück bewährte Festigkeit seines Charakters, wurde weder durch ihren
Wankelmuth überwunden, noch in seinen Entschlüssen wankend gemacht.
Ihren Ueberschreitungen folgte die Strafe auf dem Fuße. Entweder rächte
er ihre Treulosigkeit selbst, oder durch seine Grafen, die er an der Spitze
des Heeres entsandte. Endlich aber, nachdem alle, welche Widerstand zu
leisten Pflegten, niedergeworfen und unterjocht waren, verpflanzte er zehn¬
tausend Bewohner der beiden Elbufer mit Weibern und Kindern in die
verschiedensten Gegenden Galliens und Germaniens. Der Krieg, der sich
lange Jahre hindurch hingezogen hatte, nahm endlich unter der von dem
Könige gestellten und von den Sachsen angenommenen Bedingung, daß sie
dem Götzenglauben und Götterdienste entsagen und den Christenglauben
und die Sakramente seines Bekenntnisses annähmen, ein Ende.*)
Die einzelnen Kriege.**) König Karl beschloß, nachdem er den
Reichstag zu Worms gehalten hatte, die Sachsen zu bekriegen und zog
unverweilt dahin, verwüstete alles mit Feuer und Schwert, eroberte die
Feste Aeresburg (bei Stadtberg a. d. Diemel) und zerstörte das Götzenbild,
das die Sachsen Jrminsul nannten (772.) Als er sich drei Tage lang bei
der Zerstörung aufhielt, begab es sich, daß bei einer anhaltenden heiteren
Witterung alle Bäche und Quellen in der Umgegend vertrockneten und gar
kein Trinkwasser mehr aufzutreiben war. Um das Heer aber nicht länger
am Durft leiden zu lassen, geschah es von Gott, daß eines Tages, als
alles wie gewöhnlich am Mittage ausruhete, aus dem Berge, in dessen
Nähe das Lager war, eine solche Wassermasse in dem Bette eines Wald¬
stromes hervorbrach, daß das ganze Heer genug hatte.***) Nachdem das
Götzenbild zerstört war, zog der König an die Weser und ließ sich dort
*) „Ein großes kampflustiges und streitbares Volk", sagt Giesebrecht, „in un¬
gebrochener Naturkraft, voll wilden Freiheitstrotzes und barbarischer Verschlagenheit,
war es, gegen das Karl seine Waffen hier wendete. Allerdings war es ohne feste
Einheit und starken Zusammenhang und deshalb in einzelnen Kämpfen unschwer zu
besiegen; aber alle einzelnen Siege trugen wenig für die endliche Entscheidung des
Krieges aus; Gau für Gau mußte unterworfen, eine Gemeinde nach der andern
einzeln vernichtet werden. Der Krieg, den Karl gegen die Sachsen führte, war der¬
selbe, in dem einst die Römer unterlagen; gegen dieselben Stämme, in denselben
Gegenden wurde er geführt, und auch jetzt galt es, die germanische Freiheit der
Herrschaft eines Einzelnen zu beugen und der Verbindung eines großen Reiches
einzufügen. Aber zugleich war der Krieg auch ein Kampf für den Glauben der
Christen: mit den Reliquien der Heiligen zog Karl in den Kampf, Missionen be¬
gleiteten den Zug seiner Reisigen." Es war für Karl eine politische Nothwendig-
keit, die Sachsen zu unterwerfen; aber die Sachsen kämpften für ihre uralte Freiheit
und ihre Götter, an denen sie mit der ganzen Zähigkeit hingen, die diesen deutschen
Volksstamm auszeichnet. Sie handelten freilich nach dem, auch sonst in Glaubens-
kämpsen bethätigten, Grundsätze, daß der Eidbruch gegen die verhaßten Christen
erlaubt sei.
**) Einhards Annalen, deutsch von Abel, in „Geschichtsschreiber der deutschen
Vorzeit". Lief. 9 (verkürzt).
***) Diese Quelle heißt heutzutage der Bullerborn und ist bei dem Dorfe Olden-
beke nicht weit von den Quellen der Lippe.