§ 101.
Die politische Teilung der Nation.
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daß es auf Ersuchen des Konsistoriums gegen die der kirchlichen Ordnung
Zuwiderhandelnden auch mit weltlichen Strafen einschreite. Diese Forderung
ist auch in mehrfachen heftigen Verfolgungen zur Tat geworden.
Der Calvinismus war sicherer und selbstbewußter als der Zwinglia¬
nismus und eroberte durch seine straffe Gliederung und strenge Zucht der
Gemeinden sich einen Teil Frankreichs, der Niederlande, Schottlands,
Englands und von hier auch Nordamerikas; in Deutschland scmd er
Eingang zuerst in der Pfalz, später in Hessen und Brandenburg.
§ 101. Die politische Teilung der Nation. Die im Mittelaller be¬
gründete enge Verbindung der kirchlichen mit den staatlichen Angelegen¬
heiten brachte es mit sich, daß die kirchliche Spaltung der Nation in An¬
hänger und Gegner der Reformation auch eine politische Trennung der
Reichsstände zur Folge hatte. Es geschah dies in der Weise, daß sich
auf beiden Seiten Sonderbünde zusammenschlossen, deren Mitglieder
sich zu gemeinsamem Handeln besonders auf den Reichstagen verpflicht
teten. In dem Maße, als die kirchliche Frage zu einer politischen Macht-
frage wurde, erhöhte sich die Bedeutung der äußeren Vorteile und
Güter (z. B. der geistlichen Jurisdiktion, des Besitzes der kirchlichen
Güter).
Am frühesten gelang die Einigung auf katholischer Seite. Nachdem
sich das Nürnberger Reichsregiment zur Durchführung des Wormser Edikts
unfähig gezeigt hatte, schloß (1524) Ferdinand von Österreich mit den
bayrischen Herzogen und den süddeutschen Bischöfen zu Regensburg
ein Bündnis, um den Neuerungen in der Religion entgegenzutreten.
Erst nach dem Bauernkriege kam in Norddeutschland ein Bündnis
Evangelischer zustande. Als Georg von Sachsen den norddeutschen,Fürsten
ein Bündnis zur Ausrottung der Neuerer vorschlug, scheiterte der Plan
am Widerstände Johanns von Sachsen und Philipps von Hessen.
Vielmehr verbündeten sich beide (1526) zu Torgau mit mehreren nord¬
deutschen Fürsten und ber Stadt Magdeburg.
Dem Beschlusse des ersten Reichstages zu Speyer (1526), „ein
jeder solle sich in Sachen der Religion so halten, wie er es vor Gott und
kaiserlicher Majestät zu verantworten getraue", gaben die Freunde der
Reformation eine ihrem Vorhaben günstige Auslegung. Die Fürsten und
der Rat der Freien Städte vereinigten in ihren Gebieten die evangelischen
Gemeinden zu Landeskirchen, für deren Unterhalt und Ordnung sie
die Fürsorge übernahmen.
War jener erste Beschluß unter dem Einfluß einer Spannung zwischen
Kaiser und Papst zustande gekommen, so fand sich auf dem zweiten
Speyerer Reichstage (1529) eine geschlossene katholische Mehr¬
heit zu schärserm Vorgehen zusammen. Gegen ihren Beschluß, der
weitere Neuerungen verbot, erhob die Minderheit Widerspruch.
(Protestanten.)