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eine schriftliche Abfassung des Strasrechtes. Mit diesem Amte wurde
der Archon Drakon beauftragt (621). Aber seine Strafgesetze waren
so strenge, daß man spöttisch sagte, sie seien nicht mit Tinte, sondern
mit Blnt geschrieben. Er setzte sogar auf geringe Vergehen, wie das
Stehlen von Garten- und Baumfrüchten, Todesstrafe. So wurde die
Unzufriedenheit des Volkes immer größer.
Kokon.
§ 5. In dieser Not wurde der Archon Solon aus dem Geschlechte
des Kodrus der Retter (594). Er hatte sich durch weite Reisen ins
Ausland gebildet und stand im Rufe hoher Weisheit. Ihm übertrug
man die Aufgabe, eine neue Verfassung des Staates zu entwerfen.
1. Die Schuldentilgung. Zuerst hob er die Not des ärmeren
Volkes, indem er alle auf den Acker aufgenommenen Schulden erließ und
es verbot, den Schuldner als Sklaven zu verkaufen.
2. Die Klasseneinteilung. Um auch den Unterschied zwischen
dem Adel und Nichtadel auszugleichen, teilte er alle Bürger nach dem
Ertrage ihrer Ländereien in vier Klassen ein. jenachdem sie mindestens
500, 300, 200 oder weniger Scheffel Getreide oder einen entsprechenden
Ertrag an Öl und Wem ernteten. Die drei ersten Klassen waren zu
den Ämtern wählbar, zum Archontat konnten aber nur Mitglieder der
ersten Klasse gelangen.
Z. Der Rat oder die Bnle, aus 400, später aus 500 jährlich
neu gewählten Mitgliedern bestehend, hatte mit den Archonten alle An¬
gelegenheiten vorher zu beraten, welche vor die Volksversammlung gebracht
werden sollten.
4. Die Volksversammlung oder Ekklesia umfaßte alle 20 Jahr
alten Bürger uud wurde anfangs jährlich viermal, später jährlich zehnmal
auf der Pnvx abgehalten. Sie bestimmte über die Einführung oder Ab¬
schaffung von Gesetzen, über die Wahl der Beamten und über Krieg und
Frieden.
5. Die Rechtspflege wurde teils durch die Archonten, teils
durch Gefchwornengerichte verwaltet. Der oberste Gerichtshof war der
aus den abgehenden Archonten gebildete Areopäg. Er richtete über
Mord. Brandstiftung und ähnliche schwere Verbrechen und hatte zugleich
die Oberaufsicht über die Sitten und den Gottesdienst.
Solon ordnete nicht bloß den Staat, sondern er gab auch manche
wohlthätige Gesetze. So verordnete er, jeder solle seine Kinder ein