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deutschen Reiche losgerissen und mit Frankreich vereinigt. Auch
die freie Reichsstadt Straßburg geriet in die Gewalt der
Franzosen und ging auf lange Zeit für Deutschland verloren
(1681). Und doch hatte einst Kaiser Karl V. von dieser wichtigen
Festung gesagt: „Wenn der Türke vor Wien und der Franzose
vor Straßburg steht, werde ich zuerst dem bedrohten Straßburg
zu Hilfe eilen." Aber der schwache Kaiser Leopold war nicht
fähig, der Habsucht Ludwigs zu wehren. Er konnte sich selbst
nicht helfen, als jetzt über seine österreichischen Lande eine
große Gefahr hereinbrach.
3. Die Türken vor Wien (1683). — Diese Gefahr
kam von Osten her durch die Türken. Ludwig XIV. hatte sie
Zum Angriff gegen den Kaiser aufgehetzt. So brachen denn
diese wilden Erbfeinde der Christenheit plötzlich in zahlloser
Menge auf und zogen geraden Weges aus Wien los. Angst
und Entsetzen erfüllten die Bewohner. Der Kaiser floh über
Hals und Kopf von dannen. Bald umschloß das Türkenheer
in ungeheurem Bogen die Kaiserstadt, und belagerte sie mit
Wut und Jngrinim. Doch der wackere General von Starhem¬
berg verteidigte die Stadt heldenmütig und standhaft. Als
endlich die Mauern durch die Macht des feindlichen Geschützes
schon einzufallen begannen und die Not aufs höchste gestiegen
war, da kam zur rechten Stunde der edle Polenkönig Johann
Sobiesky mit einem Heere von Polen und Deutschen herbei¬
gezogen uud fiel über die Türken her. Der schönste Sieg wurde
errungen; vor dem begeisterten Mute der Christen ergriffen die
Barbaren entsetzt die Flucht, und Wien war von dem Unter¬
gänge gerettet.
4. Der große Kurfürst als Landesvater. —
Ein Held im Kriege, war Friedrich Wilhelm seinen Unter¬
thanen zugleich der beste Landesvater. Auf alle Weise suchte
er seinem durch den dreißigjährigen Krieg erschöpften und ver¬
wüsteten Lande emporzuhelfen. ^Er unterstützte die Landwirt¬
schaft und ließ in die entvölkerten und verödeten Gegenden An¬
siedler aus Holland und der Schweiz kommen, deren Fleiß den
sandigen Boden Brandenburgs in Ackerfeld und Gärten um-