Full text: Geschichte des preußischen Vaterlandes

Doltaire'S Gunst unb Uugnade. 325 
unter ben Kopf legte, sagte er leise: „Bravo (Srenabier, ber alte Zieten ist 
müde !" Als balb barauf ein cinberer Grenabier, halb im Schlafe, aufsprang, 
u'.n sich beim Feuer feine Tabakspfeife anzuzünden, unb babei aus Unvor¬ 
sichtigkeit an Zieten’8 Fuß stieß, richtete sich Friebrich Plötzlich empor unb 
sprach: „St, Greuabier, weckt mir ben alten Zieten nicht aus. er ist sehr 
milbe." Später sah der König den alten Reitergeneral sehr gern Bei Hofe 
unb behaudelte ihn mit ber rührenbfteu Schonung unb Rücksichtnahme. Als 
Zieten einst an ber königlichen Tafel einnickte, war der König besorgt, baß 
ihn keiner störe: „Laßt ihn ruhig schlafen," sagte er, „er hat oft genug für 
uns gewacht." Auch ließ er dem greisen Krieger in wieberholteu schmeicheln, 
ben Hanbschreiben Bis zum letzten AngenBlicke immer wieber Zeichen seiner 
großen Theilnahme zukommen. Als Zieten im Alter von 87 Jahren, kurz 
vor seinem König, starb, würbe bieser sehr trüB unb ernst gestimmt. 
Voltaire und d'Alembert. Derjenige, welcher unter allen Freuuben 
des Königs am meisten Gunst von ihm erfahren, war ber französische Dichter 
unb Philosoph Voltaire; er war aBer zugleich auch ber, welcher ihm mit 
bem schwärzesten Unbank lohnte. Friebrich hatte zwar von vorn herein keine 
wirkliche Achtung vor bem sittlichen Werthe bcs Berühmten Franzosen gehaBt, 
aBer er wünschte durchaus seinen geistvollen Umgang zu genießen unb setzte 
Alles baran, ihn an seinen Hos zu ziehen. Voltaire gab des Königs wieder¬ 
holter Anssorberung nach und kam im Jahre 1750 nach Sanssouci: er genoß 
die höchste Aufmerksamkeit, Bekam die Kammerherrnwürde und ein Jahrgehalt 
von 3500 Thalern, wohnte im Schlosse, hatte freie Tafel, Equipage und 
Dienerschaft. Das Alles und Friebrich's liebeuswürbiger Umgang Behagten 
ihm ungemem; feine Begeisterung für ben König ging Bis zur Leidenschaft, 
unb er Bekannte seinen Freuuben, baß es nichts Süßeres gebe, als dieses 
LeBen, unb daß nichts ber Philosoph^ unb ben schönen Künsten mehr Ehre 
mache. 
Voltaire'? Anwesenheit in Sanssouci trug in ber That, wie ber König 
gehofft hatte, viel zur Belebung alles geistigen Strebens au bem preußischen 
Hose Bei, nur ist zu Bebauern, baß fein Einfluß zugleich ben leichtfertigen, 
ungläubigen Sinn verbreiten half, bem er selbst bnrchans verfallen war. 
Dem König war er ein werther Rathgeber Bei feinen wissenschaftlichen unb 
poetischen ArBeiten, aBer bas genaue Verhältniß, welches zwischen Beiben 
Männern entstaub, sollte gar Balb manche TrüBung erfahren. Voltaire, burch 
ben Glanz feiner Stellung geBlenbet, vergaß, was er feinem hohen Gönner 
und feiner eigenen Würbe fchulbig war. Voll ungemessener Selbstliebe, babei 
habsüchtig bis zum schmutzigen Geiz, hämisch, neibisch, uud eifersüchtig auf 
jeben anberen Freunb bes Königs, mißbrauchte er balb bte königliche Milbe, 
bis verschiebene ärgerliche Vorfälle seine Entfernung nöthig machten. Schon 
hatte ein gemeiner Proceß mit einem Juben, ber Voltaire verklagte, ihn mit 
unächten Steinen übervorteilt zu haben, seine Reblichfeit in ein ungünstiges 
Licht gestellt, auch war burch anbete ähnliche Vorfälle sein Ruf schwer Beein¬ 
trächtigt worben, als enblich ein Schriftstreit mit bem Prästbenten ber Ber¬ 
liner Akabemte, bem Berühmten Naturforscher Maupertuis, ben er aus Eifer¬ 
sucht in gemeiner Weise angriff, ben König so erzürnte, baß er eine von 
Voltaire's Schriften öffentlich vor dessen Fenster burch Henkershanb verbrennen
	        
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