Full text: Geschichte des preußischen Vaterlandes

Deutschlands Friedenspolitik. 715 
gegen den Kaiser nnb seine Helden. Und diese Stimmung, meine Herren, 
ich hoffe, sie wird dauern." 
In Folge vertraulicher Verhandlungen, an welchen auch Fürst Bis¬ 
marck von seinem Krankenbett einen lebhaften Antheil nahm, kam denn 
eine Vermittelung zu Stande, nach welcher die von der Regierung ge¬ 
forderte Stärke des Friedensheeres zunächst auf 7 Jahre (das Septennat) 
bewilligt wurde, nach Ablauf dieser Zeit dann wieder aus dieselbe Zeit. 
Der Kaiser sagte beim Schlüsse des Reichstags: 
— „Das hervorragendste, unter Ihrer Mitwirkung zu Stande ge¬ 
kommene Gesetz soll, nach den Absichten der verbündeten Regierungen, 
dem deutschen Heere diejenige Organisation dauernd sichern, in welcher die 
Gewähr für den Schutz unseres Vaterlandes und für den Frieden Europas 
beruht. Um die Stetigkeit der Entwickelung unserer Verfassung sicher zu 
stellen und um für die Fortbildung unserer neugewonnenen nationalen 
Einrichtungen die Grundlage allseitigen Verständnisses zu gewinnen, haben 
die verbündeten Regierungen eingewilligt, die von ihnen vorgeschlagene 
und nach ihrer Ueberzeugung nothwendige definitive gesetzliche Regelung 
der Friedensstärke des Heeres der Zukunft vorzubehalten. 
Sie haben dieses Zugeständnis in der festen Zuversicht machen können, 
es werde die regelmäßige Berathung des Militäretats und die fortschrei¬ 
tende Entwickelung des Verfassungslebens dem Lande und den künftigen 
Reichstagen die Ueberzeugung gewähren, daß die Sicherstellung der nach¬ 
haltigen gleichmäßigen Ausbildung der nationalen Wehrkraft und die Her¬ 
stellung einer gesetzlichen Unterlage für die jährlichen Budgetberathungen 
nothwendig sei, um dem deutschen Heere eine seiner Bedeutung für das 
Reich entsprechende Festigkeit der Gestaltung zu sichern." 
Deutschlands Friedenspolitik. 
Kaiser Wilhelm hatte die Mission des neu errichteten Deut¬ 
schen Reiches von vorn herein als eine Mission des Friedens unter 
den Völkern aufgefaßt und er suchte seinen Einfluß in jeder Beziehung 
sin: Erhaltung des Friedens in Europa geltend zu machen. In diesem 
Sinne suchte er auch die Zuneigung des Kaisers Alexander von Rußland, 
der ihn „seinen besten Freund" nannte, zu verwerthen. Besonders ließ 
er sich auch angelegen sein, zwischen Rußland und Oesterreich wieder ein 
freundlicheres Verhältniß zu vermitteln. Es gelang ihm, die Beiden im 
September 1872 bei der Drei-Kaiser-Zusammenkunft in Berlin 
als seine Gäste zusammen zu sehen. 
Dte Vereinigung der drei Kaiser in der Hauptstadt des neuen deut- 
schen Reiches war die gewaltigste und wirksamste Kundgebung einer ernsten 
und entschiedenen Friedenspolitik, ohne jeden politischen Hintergedanken. 
Deshalb fand die Zusammenkunft aufrichtige Theilnahme und Zustimmung 
auch bei den nicht unmittelbar vertretenen Regierungen und Völkern, 
tvelche ihrerseits den Werth des Friedens für sich und für die europäische 
Entwickelung zu schätzen wissen. Was der Deutsche Kaiser vom ersten
	        
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