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her, und es begann von hier aus die Germanisierung des
Ostalpengebiets.
6. Die Gründung des Römischen Reiches deutscher Nation.
Obgleich Otto die Herzogtümer seinen nächsten Verwandten gegeben
hatte, war es ihm doch nicht gelungen, den beabsichtigten Einheits-
staat zu gründen. Denn es war bei der Naturalwirtschaft und
dem gering entwickelten Verkehr nicht möglich, für ein großes Reich
ein vom Herrscher allein abhängiges Beamtentum zu schaffen. Die
Amtsgewalt mußte immetc an einen bestimmten Grundbesitz gebunden
bleiben und wurde darum bald als erblicher Privatbesitz aufgefaßt.
Die selbstsüchtigen Großen suchten nur ihre» eigenen Vorteil und
hatten noch keinen Sinn für die Reichsinteressen; empörten sich
doch selbst Ottos Brüder und sein Sohn gegen ihn. Nur die
Kirche hatte damals eine einheitliche Organisation mit gemein-
samem Rechte, gemeinsamer Sprache und schriftlichem Verkehr. Ihre
Diener waren nicht nur die Vertreter einer höheren Kultur, sondern
besaßen auch das Bewußtsein der Zusammengehörigkeit für die
Erreichung ihrer Ziele.
Otto machte nun die Kirche zum Hauptträger der Reichs-
Verwaltung, indem er die Bischöfe und Äbte zu seinen Ratgebern,
zu Beamten der königlichen Kanzlei, zu Gesandten, selbst zu Heer-
sichrem wählte. Er und seine nächsten Nachfolger schenkten der
Kirche weite, meist unbebaute Landstrecken, die bald kultiviert und
musterhaft bewirtschaftet wurden: auch verliehen sie den Bischöfen
das Markt-, Zoll- und Münzrecht. Dafür wurde das Kirchengut
aber ebenso wie das Reichsgut für den Unterhalt des bald hierhin,
bald dorthin verlegten Hofes und für den Heerdienst herangezogen,
sowie in Notfällen stark besteuert. jöa die hohen Geistlichen vom
König ernannt wurden und ihre Ämter wegen der ihnen vorge-
schriebenen Ehelosigkeit nicht erblich werden konnten, wurden diese
geistlichen Fürsten die sichersten Stützen des Reiches.
Otto suchte jetzt auch auf das Papsttum Einfluß zu gewinnen.
Dieses war im 10. Jahrhundert dadurch sehr gesunken, daß bei
dem Mangel einer starken Schutzherrschaft die Besetzung des päpst-
lichen Stuhles in die Hände einiger römischer Adelsfamilien gekommen
war. Damals herrschte Alberich unter dem Namen eines „Fürsten
und Senators aller Römer" mit unumschränkter Macht in Rom.
Er setzte mehrere Päpste nach Gutdünken ein. Nach seinem Tode
riß sein lasterhafter Sohn Oktavian die päpstliche Würde an sich.
Er änderte als erster unter den Päpsten seinen Namen und nannte
sich Johann XII. Da er von Berengar, den Otto mit Oberitalien
Dummler, Kaiser Otto der Große: Ottos d. Gr. Persönlichkeit
und Bedeutung für die deutsche Kultur. Atzler, Ou. u. L. I. Nr. 26.