Erster Teil. Zweites Buch. 163
Tilly bestimmten Magdeburgs Geschick. Ein nur etwas
menschlicher Feldherr würde solchen Truppen vergeblich
Schonung anbefohlen haben; Lilly gab sich auch nicht die
Mühe, es zu versuchen.* Durch das Stillschweigen sei¬
nes Generals zum Herrn über das Leben aller Bürger ge¬
macht, stürzte der Soldat in das Innere der Häuser, um
ungebunden alle Begierden einer viehischen Seele zu küh¬
len. Vor manchem deutschen Ohre fand die flehende Un¬
schuld Erbarmen, keines vor dem tauben Grimm der
Wallonen aus Pappenheims Heer. Kaum hatte dieses
Blutbad seinen Anfang genommen, als alle übrigen Tore
aufgingen, die ganze Reiterei und der Kroaten fürchter¬
liche Banden gegen die unglückliche Stadt losgelassen
wurden.
Eine Würgeszene sing jetzt an, für welche die Ge¬
schichte keine Sprache und die Dichtkunst keinen Pinsel hat.
Nicht die schuldfreie Kindheit, nicht das hilflose Alter,
nicht Jugend, nicht Geschlecht, nicht Stand, nicht Schön¬
heit können die Wut des Siegers entwaffnen. Frauen*
werden in den Armen ihrer Männer, Töchter zu den
Füßen ihrer Väter mißhandelt und das wehrlose Ge¬
schlecht hat bloß das Vorrecht, einer gedoppelten Wut zum
Opfer zu dienen. Keine noch so verborgene, keine noch so
geheiligte Stätte konnte vor der alles durchforschenden
Habsucht sichern. Dreiundfünfzig Frauenspersonen fand
man in einer Kirche enthauptet. Kroaten vergnügten sich,
Kinder in die Flammen zu werfen — Pappenheims
Wallonen, Säuglinge an den Brüsten ihrer Mütter zu
spießen. Einige liguistische Offiziere, von diesem grau¬
senvollen Anblick empört, unterstanden sich, den Grafen
Tilly zu erinnern, daß er dem Blutbad möchte Einhalt
tun lassen. „Kommt in einer Stunde wieder", war die
Antwort, „ich werde dann sehen, was ich tun werde. Der
Soldat muß für seine Gefahr und Arbeit etwas haben."*
In ununterbrochener Wut dauerten diese Greuel fort, bis
endlich Rauch und Flammen der Raubsucht Grenzen setz-
li*