Full text: [Lesebuch für die mittlere und obere Stufe (Teil 3, [Schülerband])

34 66. Rittmeister Kurzhagen. 
66. Rittmeister Kurzhagen. 
In dem Regimente des berühmten, von Friedrich dem 
Großen hochgeehrten Generals von Zieten stand auch ein 
Rittmeister, mit Namen Kurzhagen. Er war klug, tapfer und 
hatte ein kindliches Gemüt. Seine Eltern waren arme Landleute 
im Mecklenburgischen. Mit dem Verdienstorden auf der Brust rückte 
er nach Beendigung des siebenjährigen Krieges in Parchim, einet 
Stadt in dem Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin, ein— 
Seine Eltern waren von ihrem Dörfchen nach der Stadt gekommen 
um ihren Sohn nach Jahren wiederzusehen, und erwarteten ihn 
auf dem Markte. Als er sie erkannte, sprang er rasch vom Pferde 
und umarmte sie unter Freudenthränen. Bald darauf mußten sie 
zu ihm ziehen und aßen allzeit an seinem Tische, auch wenn el 
vornehme Gäste hatte. 
Einst spottete ein Offizier darüber, daß Bauern bei einen 
Rittmeister zu Tische säßen. „Wie sollte ich nicht die ersten Wohl 
thäter meines Lebens dankbar achten?“ war seine Antwort; „ehe 
ich des Königs Rittmeister wurde, war ich ihr Kind.“ — Den 
brave General von Zieten hörte von diesem Vorfalle und bat sich 
selbst nach einiger Zeit mit mehreren Vornehmen bei dem Rittmeistel 
zu Gaste. Die Eltern des letzteren wünschten diesmal selbst, nichl 
am Tische zu erscheinen, weil sie sich verlegen fühlen würden. Alß 
man sich setzen wollte, fragte der General: „Aber, Kurzhagen, 
wo sind Ihre Eltern? Ich denke, sie essen mit Ihnen an einem 
Tischel“ — Der Rittmeister lächelte und wußte nicht sogleich zu 
antworten. Da stand Zieten auf und holte die Eltern selbst herbei⸗ 
sie mußten sich rechts und links an seine Seite setzen, und er 
unterhielt sich mit ihnen aufs freundlichste. Als man anfing 
Gesundheiten auszubringen, nahm er sein Glas, stand auf und 
sprach: „Meine Herren, es gilt dem Wohlergehen dieser braven 
Eltern eines verdienstvollen Sohnes, der es beweist, daß ein dank⸗ 
barer Sohn mehr wert ist als ein hochmütiger Rittmeister.“ 
Später fand der General Gelegenheit, dem Könige von det 
kindlichen Achtung zu erzählen, welche der Rittmeister seinen Eltern 
erwies, und Friedrich II. freute sich sehr darüber. Als Kurzhagen 
einst nach Berlin kam, wurde er zur königlichen Tafel gezogen. 
Hör' Er, Rittmeister“, fragte der König, um seine Gesinnung zu 
forschen, „von welchem Hause stammt Er denn eigentlich? Wel
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.