Full text: König Friedrich Wilhelm II. - König Friedrich Wilhelm IV. (Bd. 2)

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der Landwehr war in kläglichem Zustande; die Taschenmunition meist verdorben. 
Jork ging (25. Angnst) selbst zu Blücher; es kam zu Vorwürfen und bitterem 
Zank, Blücher suhr zornig auf, und Jork erlaubte sich, den Obergeneral in 
derbem Tone zurechtzuweisen. Russische Offiziere waren Zeugen des peinlichen 
Auftrittes. Noch am Abend (25. August) schrieb Jork an den König und for¬ 
derte seine Entlassung. Er sei, sagte er höhnisch, zu beschränkt, um die genialen 
Absichten des Oberkommandos begreifen zu können; aber Übereilungen und In¬ 
konsequenzen bei den Operationen, unrichtige Nachrichten und das Greifen nach 
jeder Scheinbewegung des Feindes, dabei Unkunde in den praktischen Ele¬ 
menten des Krieges, das seien die bekannten Ursachen, wodurch man Armeeen 
zu Grunde richte. 
Jorks Haltung übte in jedem Fall die schlimme Wirkung, daß auch die 
Russen schwieriger wurden. Längerem hatte schon nach dem Goldberger Gefechte 
sich geradezu gegen Blüchers Befehle aufgelehnt und die Miene angenommen, 
als dürfe er nach eigenem Ermessen handeln; jetzt fühlte er sich natürlich noch 
weniger oersncht zu gehorchen. Es gehörte Blüchers glückliche Natur dazu, 
um iit dieser Lage Mut und Zuversicht nicht zu verlieren. Fester als je war 
er entschlossen, energisch anzugreifen; denn nur eine glückliche und glorreiche 
That konnte diesen widrigen Zerwürfnissen ein Ende machen. 
Indessen hatte Napoleon in der That den Rückzug aus Schlesien ange¬ 
treten, um sich nach der Elbe zurückzuwenden. Noch am 22. August war er 
bis gegen Goldberg geritten, aber mit der Überzeugung umgekehrt, das; es nicht 
gelingen würde, Blücher zur Schlacht zu bewegen. Damit war der Hauptzweck 
seines Zuges nach Schlesien mißlungen, und wenn er einen siegesstolzen Ton 
anschlug, oder au Maret schrieb, die Feinde seien überall erschreckt gewichen 
uni) ihr Fußvolk sei herzlich schlecht, so tauschte er damit gewiß sich selber am 
wenigsten, höchstens dachte er andere zu täuschen. Tenn was wollte das heißen, 
daß er, wie einer seiner Bewunderer schreibt, in der kurzen Frist vou drei 
Lagen die kaiserlichen Adler an den Ufent der Katzbach ausgepflanzt? Tarnm 
war er doch nicht mit 150 000 Mann ausgezogen! Er hatte Blücher mit Über¬ 
macht schlagen wollen; das war ihm durch dessen Zurückweichen vereitelt worden, 
inzwischen war aber die Frist abgelaufen, die er zu dem fchlefifchen Zuge ver¬ 
wenden durfte; er mußte zurück, um Dresden gegen die große Armee der 
Gegner zn beschützen. 
x!>n der Nacht zum 23. August waren ihm in Löwenberg Nachrichten von 
de» Bewegungen in Böhmen zugekommen, die ihn überzeugten, daß hier keine 
Zeit zu verlieren sei. Gleich am Morgen gab er den Beseht, daß die Garden, 
Mammuts Corps und Latour - Maubvurg sofort nach Görlitz aufbrechen sollten, 
wohin er selber zurückging. Irrtümlich glaubte man im französischen Lager, 
auch Neys Corps sei dahin bestimmt, und dasselbe setzte sich schon in Marsch, 
als ein Gegenbefehl kam, der das richtige Verhältnis aufklärte. Danach wollte 
Napoleon nur den Marschall mit sich nehmen; sein Corps sollte, unter Souhams
	        
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