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Wiedertaufe war sowohl bei den römischen als auch bei
den protestantischen Mächten die Todesstrafe gesetzt. Sie
hatten aber noch so vieles andere auf dem Kerbh^lze, daß
es Wahnsinn gewesen wäre, an eine Begnadigung zu
denken, selbst wenn sie jetzt freiwillig die Stadt den Feinden
übergeben hätten, und deshalb hielten sie notgedrungen an
ihrem Könige fest. So lange er in Münster regierte,
konnten sie wenigstens ihr elendes Leben fristen, ein Sieg
der Feinde aber war unter allen Umständen sicherer
Tod, und schließlich war es besser und ehrenvoller, bei
der Verteidigung der Stadt zu fallen, als von Henkers¬
hand einen schimpflichen Tod zu erleiden.
Jan van Lehden selbst sah die Not in der Stadt
nicht oder wollte sie nicht sehen. Er hörte nicht auf, den
Seinen den endlichen Sieg zu verkündigen, ja er prahlte,
daß der Herr eine Legion Engel senden werde, wie er
einst gethan bei Dothan, als er den Propheten Elisa er¬
ledigte aus den Händen der Syrer.*) Schon hatte er,
wie er sagte, ein Gesicht gesehen am Himmel, zwei ge¬
kreuzte flammende Schwerter, ein gewisses Zeichen, daß
der Herr mit ihnen sei und bald herbeieilen werde zu
ihrer Hülfe; und noch immer fand er Gläubige, die durch
seine Worte angefeuert wurden zu erneuter Tapferkeit.
Daß der Hunger schon anfing, in der Stadt zu wüten,
wollte er durchaus nicht einsehen und zugeben. Freilich
in seinem Hause herrschte kein Mangel, dort war Hülle
und Fülle von köstlichen Speisen und Weinen aller Art,
und er und seine Frauen schwelgten in Wohlleben, während
auf den Straßen Weiber und Kinder bereits nach Brot
schrieen. Auf besondern Befehl des Königs wurde nun
in den Häusern Nachforschung gehalten, ob vielleicht jemand
in eigennütziger Absicht noch Speise verborgen habe; aber
es wurde nicht viel gefunden. Schon begann man die
Pferde zu schlachten, die doch zum Kriegführen so not¬
wendig waren, und das Fleisch an die Hungernden in
kleinen Portionen ausgeteilt; doch auch damit reichte
*) Vergl. 2. Kön. 6, v. 12 u. s. f.