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Regel dem ersten besten, der ihnen in den Weg kam, für ein Spott-
geld zum Kaufe angeboten. Die Käufer stellten es in der Regel den
Besitzern gegen Erstattung der Auslagen durch Vermittelung der Zeitungen
wieder zu, aber deren Anzeigen mußten sehr vorsichtig abgefaßt werden.
„Soeben habe ich," lautete eine derselben, „ein Weißmusselin Damenkleid
für zwei Zwanzigkreuzer gekauft, welches, wenn es die vorige Besitzerin
ungern verloren haben sollte, derselben bereitwilligst zur Verfügung ge¬
stellt wird," und eine andere: „Am 5. September ist hier ein Tauftuch
mit einer Tresse aus der Gevatterkutsche gewaltsam verloren worden.
Sollte es vielleicht gekauft worden sein, so bittet man, es gegen Er¬
stattung der Auslagen da und da abzugeben."
Am fünften Tage nach der Leipziger Schlacht kam Kaiser Franz
von Österreich nach Gera, nachdem er schon in Langenberg feierlich
begrüßt worden war und zu den Leuten, welche ihn empfangen, gesagt
hatte: „Kinder, habt nur noch eine Zeit lang Geduld! Bald wird es
besser werden, es geht alles sehr gut." Am Leipziger Gatter wurde er
voll der Geistlichkeit und dem Stadtrate begrüßt und zog, indem wei߬
gekleidete Mädchen den Weg mit Blumen bestreuten, unter dem Geläute
aller Glocken und dem tausendfachen Jubelrnfe der Einwohner in die
Stadt ein. In seinem Quartier empfing er den Besuch der regiereitbeit
Fürsten von Greiz und Ebersdorf, sowie der Prinzen des Hauses Schleiz.
Noch vor Schluß des Jahres traten die Fürsteil Reuß dem Bünd-
llisse, welches Preußen, Rußland und Österreich geschlossen hatten,
bei und ließen ihr Bataillon, 900 Mann stark, zu dem Heere der Ver¬
bündeten stoßen. Am 5. März 1814 maschierte es in Frankfurt a. M.
ein und wurde dort vom Gouverneur, dem Kaiserlichen Feldzeugmeister
Heinrich XIII., regierenden Fürsten voll Reuß-Greiz, in Empfang ge¬
nommen.
Am 14. April wurde in Gera der Sturz Napoleons und die
Einnahme von Paris glänzend gefeiert. Schon früh sechs Uhr ver¬
kündeten Pauken, Trompeten und Kanonendonner die Bedeutung des
Tages. Vormittags war Gottesdienst und am Abend die ganze Stadt
erleuchtet. Durch alle Straßen wogte der Zug froher Menschen, und
der Glanz der Tausende von Lichten war ein deutliches Abbild der
Stimmung, in welcher die ganze Stadt sich befand.
Den 31. August mittags kehrte das Bataillon aus dem Feldzuge
am Rhein zurück. Der Schluß des Schreibens, welches der bahrische
Oberst, dessen Brigade dasselbe zugeteilt war, nach dem Abmarsche an
den preußischen Major gerichtet hatte, lautete: „Indem ich Sie bitte,
Herr Major, meinen verbindlichsten Dank für die unter meinem Kom-