Full text: [Teil 3 = Quarta, [Schülerband]] (Teil 3 = Quarta, [Schülerband])

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Deutsche Sagen. 
B. VolksjMn mul f cluvänlte. 
32. Der wilde Jäger. 
Nach Sichler. 
1. Wenn das Herbstweiter dahergefahren kommt mit Sturm 
und Gebraus, seine prasselnden Regenschauer gegen das Felsgestein 
wirft und mit Wucht an den alten Riesen des Waldes rüttelt, dann 
zieht das Wodansheer (das wilde Heer) über die Harzgebirge.*) 
Einer von denen, die mit im Zuge reiten, ist Hans Hackelberg, 
der wilde Jäger. 
2. Zu Ende des sechzehnten Jahrhunderts lebte dieser als kaiser¬ 
licher Oberjägermeister und gewaltiger Jäger auf der Harzburg. Sein 
höchstes Glück und seine einzige Lust war die Jagd, und mit gleicher 
Begier verfolgte er den grimmigen Eber wie den stolzen Hirsch. Er 
fragte nach nichts anderem auf der Welt, weder nach Geld und Gut, 
nach Gott und Seligkeit, noch nach Leben und Sterben, so ganz er¬ 
füllte das Weidwerk sein Herz. 
Da geschah es, daß ihm einst in der Nacht von einer großen 
Jagd träumte, er würde von dem scharfen Zahne des mächtigen Ebers, 
dem er schon lange nachgestellt, zu Tode getroffen. Seine Freunde, 
denen er den Traum erzählte, hielten denselben für ein böses Vor¬ 
zeichen oder eine Warnung und wollten ihn von der Jagd zurück¬ 
halten. Er aber hörte nicht auf ihre Worte noch auf die mahnende 
Stimme seines Innern, sondern ritt wie alle Tage aus, seinen schwarz- 
borstigen Feind zu verfolgen. 
Als zur Abendstunde das Halali geblasen wurde, lag der Eber 
zu Hackelbergs Füßen, der als Sieger stolz auf den Nacken seiner 
Beute trat. Da raffte das sterbende Tier seine letzte straft zusammen 
und fuhr mit scharfem Hauer tief in des Feindes Fleisch, so daß auch 
dieser todwund zu Boden sank. Als Hackelberg den Tod vor Augen 
sah, der ihn für immer von seinem höchsten Glücke aus Erden trennen 
sollte, da fluchte er laut und verwünschte diesen Tag. Weder vom 
Himmelsfrieden noch von ewiger Seligkeit wollte er hören, sondern 
nur jagen, jagen im grünen Revier bis zum jüngsten Tage. 
3. Sein Wunsch sollte schrecklich in Erfüllung gehen. Umgeben von 
wütenden Hunden, die ein fürchterliches Getöse und Geheul machen, 
muß er mit dem Wodansheere fort und fort über den Harzberg 
ziehen, ohne Rast, ohne Ruh bis in alle Ewigkeit. 
*) Die deutsche Soge kennt das wütende Heer in dreifacher Beziehung, als 
das nächtliche Gejaid männlicher, als Umzug weiblicher Wesen (Holden), drittens 
als ein Kriegsheer, das bevorstehende Kämpfe ankündigt. Der treue Eckart warnt 
.den Wanderer vor der wilden Jagd.
	        
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