Kap. 38. § 228. Gewalttat in Prag. 357
daher sowohl in der dem Erzbischof von Prag gehörigen Stadt Kl oft er¬
grab (bei Teplitz) als auch in der dem Abt von Braunau untergebenen
Stadt Braunau den Bau einer Kirche an.
Auf kaiserlichen Befehl aber wurde die Kirche zu Klostergrab niederge¬
rissen und die zu Braunau geschlossen, und als sich die protestantischen
Stände in einer Versammlung zu Prag darüber beschwerten, erhielten sie
ein verweisendes Schreiben und den Befehl, ihre Versammlung aufzulösen.
Da erschienen Abgeordnete der protestantischen Stände am 23. Mai
1618 bewaffnet unter Anführung des Paul von Rziczan auf der Schlo߬
tanzlei zu Prag und stellten die Statthalter, von denen vier katholische
(der Oberstbnrggras von Sternberg, Dippold von Lobkowitz, Martinitz
und Slawata) eben anwesend waren, zur Rede, ob das kaiserliche Schrei¬
ben von ihnen veranlaßt worden sei. Auf Sternbergs ruhige Antwort,
daß ihr Eid sie verpflichte, aus dem geheimen Rat nichts mitzuteilen, ent¬
spann sich ein Wortwechsel, bei dem ein Utraquist die Grafen Martinitz
und Slawata geradezu der Urheberschaft des königlichen Schreibens be¬
zichtigte. Der Streit erhitzte sich so, daß der Graf von Thurn mit zwei
andern laut erklärte, es bleibe ihnen zu ihrer Sicherheit nichts übrig, als
sich solcher Feinde mit Gewalt zu entledigen, worauf ein anderer rief:
„Werft sie nach altböhmischem Brauch zum Fenster hinaus!" Darauf führten
einige Sternberg und Dippold von Lobkowitz, auf deren Leben es nicht
abgesehen war, in ein Nebenzimmer; dann ergriffen sie Martinitz und
Slawata und warfen sie samt dem Geheimschreiber Fabricius aus den
Schloßfenstern hinab; doch blieben sie alle drei am Leben, obgleich ihnen
auch einige Kugeln nachgeschossen wurden.
Zuerst wurde Martinitz von Wilhelm von Lobkowitz und noch vier andern an das
Fenster gedrängt, das in den 28 Fuß tiefen, übrigens trockenen Burggraben ging.
Umsonst flehten die Unglücklichen, welche jetzt erkannten, daß man ihnen ernstlich an das
Leben wolle, man möchte sie doch sich zum Tode vorbereiten lassen. Unter Hohn und
Spott wurde Martinitz, der sich laut Jesu und der h. Jungfrau Maria empfahl,
Häuptlings zum Fenster hinausgestürzt. Darauf folgte plötzliche Stille, da selbst die
Täter über ihre Tat erschraken. Als aber Thurn, auf Slawata deutend, rief:
„Edle Herren, hier habt ihr den Andern!" warfen sie auch diesen zu einem andern
Fenster hinunter, und als er in seiner Angst sich an eine eiserne Fensterstange anklam¬
merte, hieb man ihm mit seinem eigenen Schwert so lange in die Hand, bis er los¬
ließ und hinabstürzte. Und weil der Geheimschreiber hatte abwehren wollen, ward
auch er ihm nachgeworfen. Martinitz fiel auf einen weichen Platz, ohne verletzt zu
werden; aber Slawata stieß mit dem Kopf zuerst an ein unteres Fenstergesimse an
und fiel dann mit dem Kopf auf einen Stein am Boden, so daß er bewußtlos in seinen
Mantel verwickelt da lag. Obgleich ihnen Schüsse nachgesandt wurden, davon drei
Martinitz streiften, wälzte dieser sich doch zu dem unglücklichen Slawata hin, machte
ihm den Kopf frei und bestrich die Wunden mit Balsam, den er bei sich zu tragen
pflegte. Aus einem benachbarten Hause ließ sodann ein Geistlicher eine Leiter in den
Graben hinabstellen, auf der beide durch einige treue Diener in jenes Haus gebracht
wurden, wo Slawata bei einer Gräfin Lobkowitz, der Gemahlin des Kanzlers, Ver¬
pflegung fand. Zwar kam Graf Thurn und forderte die Auslieferung desselben, aber
die mutige Frau verweigerte sie standhaft. Später erhielt Slawata gegen einen
Revers, daß er sich nicht rächen und das Land verlassen wollte, feine Freiheit. Martinitz
entkam verkleidet nach Regensburg; Fabricius hatte keinen Schaden genommen und war
nach Wien entflohen, um dem Kaiser das Vorgefallene zu berichten.
Die Folgen dieser rohen Gewalttat voraussehend, gingen die protestanti¬
schen Stände Böhmens nun weiter, rissen die Regierung an sich, bemäch¬
tigten sich der Krongesälle, vertrieben die Jesuiten, welche in der Apologie