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starben seine beiden Eltern. Sie segneten ihn; denn er hatte rhueor
viel Freude und Glück gebracht.
Beim Regiment wurde Äans Musiker und zeichnete sich so>
aus, daß er nach wenig Jahren die erste Stelle in der Regiments--
musik erhielt.
Wenn am Mittage beim Schloß in der Stadt die Wachtparade
stattfindet, sammeln sich viele Kinderwärterinnen und Kinder und
hören die schöne Musik an. Im Kreise der Musiker steht ein Mann,
der den Takt schlägt. Man sieht ihm jetzt in seiner betreßten Uniform
nichts mehr davon an, daß er vor Jahren voll Ruß und ein lustiger
Kaminfeger war; denn der Mann ist niemand anders als unser
Äans Lustig. Sein Titel heißt jetzt „Herr Kapellmeister"; aber
von alten Kameraden und Iugendbekannten hat er's gern, wenn sie
ihn Äans Lustig heißen, und er macht diesen Namen noch immer
zur vollen Ä^ahrheit. Robert Reinick. (Märchen-, Licdcr- lind Gcjchichtenbuch.)
392. Der Wunschring.
1. Ein junger Bauer, bei dem es in der Wirtschaft nicht
recht vorwärts gehen wollte, saß auf seinem Pfluge und ruhte
einen Augenblick aus, um sich den Schweiß vom Angesichte zu
wischen. Da kam eine alte Hexe vorbeigeschlichen und rief ihm
zu: „Was plagst du dich und bringst es doch zu nichts? Geh
zwei Tage lang geradeaus, bis du an eine große Tanne kommst,
die frei im Walde steht und alle andern Bäume überragt. Wenn
du sie umschlägst, ist dein Glück gemacht.“ Der Bauer ließ sich
das nicht zweimal sagen, nahm ein Beil und machte sich auf den
Weg. Nach zwei Tagen fand er die Tanne. Er ging sofort daran,
sie zu fällen, und in dem Augenblicke, wo sie umstürzte und mit
Gewalt auf den Boden schlug, fiel aus ihrem höchsten Wipfel
ein Nest mit zwei Eiern heraus. Die Eier rollten auf den Boden
und zerbrachen, und wie sie zerbrachen, kam aus dem einen Ei
ein junger Adler heraus, und aus dem andern fiel ein kleiner
goldener Ring. Der Adler wuchs zusehends, bis er wohl halbe
Manneshöhe hatte, schüttelte seine Flügel, als wollte er sie
probieren, erhob sich etwas über die Erde und rief dann: „Du
hast mich erlöst! Nimm zum Danke den Ring, der in dem
andern Ei gewesen ist. Es ist ein Wunschring. Wenn du ihn
am Finger umdrehst und dabei einen Wunsch aussprichst, wird
er alsbald in Erfüllung gehen. Aber es ist nur ein einziger
Wunsch im Ringe. Ist der getan, so hat der Ring alle weitere
Kraft verloren und ist nur wie ein gewöhnlicher Ring. Darum
überlege dir wohl, was du dir wünschest, auf daß es dich
nachher nicht gereue.“ Darauf erhob sich der Adler hoch in
die Luft, schwebte lange noch in großen Kreisen über dem
Haupte des Bauern und schoß dann wie ein Pfeil nach Morgen.